EU fordert von Österreich das Ende der Hacklerregelung

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Die Europäische Kommission mahnt die Republik, die Staatsschulden bis 2013 doppelt so schnell wie derzeit geplant abzubauen. „Ineffizienzen“ im Bildungs- und Gesundheitswesen führen zur Geldverschwendung.

Brüssel. Fünf Jahre vor dem gesetzlichen Pensionsalter in Rente gehen, ohne Abschläge hinnehmen zu müssen? Das ist keine gute Idee, befindet die Europäische Kommission in ihrer Beurteilung des nationalen Reformprogramms der österreichischen Bundesregierung für das heurige Jahr. Die Brüsseler Behörde legt Wien nahe, die bei immer mehr Österreichern beliebte Form der Frühpension im Rahmen der sogenannten „Hacklerregelung“ nicht über das Jahr 2013 hinaus zu verlängern. Das sei notwendig, um die „Nachhaltigkeit und Angemessenheit des Pensionssystems“ sicherzustellen.

Zudem sollte die rot-schwarze Regierung die Staatsschulden schneller als geplant abbauen, mahnen die Ökonomen von Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Österreich sollte „die derzeitige wirtschaftliche Erholung nutzen, um die Korrektur des überschießenden Defizits zu beschleunigen“, schreiben sie in dem am Dienstag vorgestellten Papier.

Reformen durch Gruppendruck

Die Kommission fordert, dass Österreich in den Jahren 2012 und 2013 die Neuverschuldung um jeweils 0,75 Prozent des Bruttoinlandsproduktes senkt, statt um bloß 0,35 Prozent, wie es das Finanzministerium vorhat. Die Regierung hat sich im Bundesfinanzrahmen der Jahre 2012 bis 2015 dazu verpflichtet, die gesamtstaatliche jährliche Neuverschuldung im Jahr 2015 auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung zu drücken. Für heuer plant sie ein Defizit von 3,9 Prozent.

Welchen Zweck hat dieses Papier aus Brüssel? Streng genommen ist es eine Empfehlung der Kommission an den Rat, also die Mitgliedstaaten, auf alle 27 Mitgliedstaaten einzeln zugeschnittene Reformempfehlungen zu beschließen. Die europäischen Sozial- und Finanzminister, die damit konkret angesprochen sind, können einander zwar nicht gegenseitig Reformen in der Altersvorsorge, dem Gesundheitswesen oder der Haushaltspolitik vorschreiben. Da stünde das Veto der jeweiligen Regierung dazwischen: Sozialpolitik ist Sache der Nationalstaaten, und die Zahnlosigkeit des Stabilitäts- und Wachstumspaktes bei der Eindämmung staatlicher Schuldenpolitik hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder aufs Neue unter Beweis gestellt.

Österreichische Ineffizienzen

Doch wenn Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) zu seinem nächsten EU-Ministerrat anreist, wird er seinen Amtskollegen ebenso die Sinnhaftigkeit der österreichischen Hacklerregelung erklären müssen, wie Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) ihren 26 europäischen Pendants wird darlegen müssen, wieso ein Land wie Österreich angesichts relativ soliden Wirtschaftswachstums und einer der niedrigsten Arbeitslosenquoten der Union nicht mehr Eifer beim Abbau der Schuldenquote an den Tag legen kann.

Und das sind nicht die einzigen Kritikpunkte der Kommission. Sie hat sich Österreichs Sozial-, Wirtschafts- und Budgetpolitik ziemlich genau angesehen, einiges gefällt ihr gar nicht. Zum Beispiel die „Ineffizienzen“ im Bildungs- und Gesundheitswesen, die in Österreich zu einiger Geldverschwendung führen, weil Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern, Gemeinden und Selbstverwaltungskörperschaften zersplittert sind. Auch die Steuer- und Abgabenquote für Arbeitnehmer („unter den höchsten in der EU“) ist der Kommission ein Dorn im Auge, weil sie „einen negativen Effekt auf die Beschäftigung hat, vor allem jene von schlecht bezahlten und wenig qualifizierten Arbeitern“.

Auch der Wettbewerb zwischen den Unternehmen könnte in Österreich nach Ansicht der Kommission schärfer sein – vor allem in den Bereichen Telekommunikation, Transport und öffentliche Versorger. „Das Produktivitätswachstum (im Dienstleistungsbereich, Anm. d. Red.) war bisher langsam, und die Marktstruktur hat weder die Kaufkraft noch die Nachfrage der Verbraucher gefördert“, heißt es in dem Bericht.

Am stärksten kritisiert die Kommission allerdings Österreichs Pensionssystem, auch abseits der eingangs erwähnten Hacklerregelung. Sie hält fest, dass 72 Prozent der Österreich vor Erreichen des gesetzlichen Rentenalters in den Ruhestand treten. „In Abstimmung mit den Sozialpartnern und gemäß nationaler Gepflogenheiten“ soll Österreich das gesetzliche Pensionsalter für Frauen (derzeit 60 Jahre) rasch auf jenes der Männer (65 Jahre) anheben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2011)

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