Radikales Sparen als einziger Ausweg

(c) Epa/Orestis Panagioutou (Orestis Panagioutou)
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Knappes Ja der Griechen. Athens Parlament segnete ein 78-Milliarden-Sparpaket ab. Es ist nicht das einzige schmerzhafte Programm in der EU: Auch Portugiesen, Iren, Spanier und Italiener müssen kürzen.

Wien. Letztlich haben auch die Griechen harte Einsparungen akzeptiert. Notgedrungen, um sich in letzter Sekunde vor dem Staatsbankrott zu retten, wie schon die Portugiesen und in abgeschwächter Form die Iren. Dem prinzipiellen Ja zum 78-Milliarden-Euro-Sparpaket am Mittwoch muss jedoch in der heutigen Sitzung des griechischen Parlaments noch die Zustimmung zu den Details folgen. Gestern stimmten 155 der insgesamt 300 Abgeordneten für die Reform. 138 votierten dagegen, fünf enthielten sich, zwei nahmen an der Abstimmung nicht teil.

Damit steht der Privatisierung von etwa 30 Betrieben im Wert von 50 Milliarden Euro (darunter Wasserwerke, Häfen oder Telefonbetreiber) nichts mehr im Weg. Und auch die 28 Milliarden Euro schweren Einschnitte sind trotz heftiger Proteste und ausufernder Krawalle auf den Straßen kaum aufzuhalten. Geschont wird niemand. Es kommen neue Steuern auf Luxusgüter, Gas und Tabak, es gibt Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst oder eine Sondersteuer für alle, die vor 60 in Pension gehen. Im Gegenzug stimmen die EU-Finanzminister am Sonntag wohl der Freigabe von weiteren zwölf Milliarden aus dem 110 Milliarden Euro schweren Rettungspaket zu.

In keinem potenziellen Pleitestaat ist es wirklich anders, ob das nun Portugal ist, Irland oder Spanien. Die Proteste sind heftig, der Sparzwang unausweichlich. Regierungen stürzen, und die neuen, ehemals lauthals protestierenden Oppositionellen müssen als Verantwortungsträger dort weitermachen, wo die verschmähten Vorgänger aufgehört haben. Sie alle kämpfen mit verkrusteten Strukturen, einem unflexiblen, ineffizienten Beamtenapparat, mit Privilegien und zu lange verteidigten Pfründen oder unfinanzierbaren Sozialsystemen. Bei den Griechen kam erschwerend hinzu, dass sie sich erst durch geschönte Budgetzahlen in die Eurozone geschwindelt und ein atemberaubendes Staatsdefizit erreicht haben

Kaum besser sah und sieht es in Portugal aus. Um insgesamt 78 Milliarden Euro an Notkrediten zu bekommen, müssen bis Jahresende mehr als 200 Sparmaßnahmen eingeleitet sein. Der ehemalige Premier, der Sozialist José Socrates, wurde bei den Wahlen davongejagt. Der neue Mitte-rechts-Regierungschef Pedro Passos Coelho setzt nun dieselben Hebel an, um die drohende Pleite von seinem Land abzuwehren. Seine Regierung legte unlängst eine lange Privatisierungsliste vor, vom Energiekonzern EDP über die Airline TAP bis zur Bank BPN. Das Prestigeprojekt eines Hochgeschwindigkeitszuges zwischen Lissabon und Madrid wurde auf Eis gelegt. Die ohnehin schon hohe Mehrwertsteuer von 23 Prozent wird noch einmal angehoben, der Sozial- und Rentenbereich gekürzt.

In Irland war das kaum anders. Um Hilfskredite von 67,5 Milliarden Euro zu erhalten, musste im Gegenzug ein 15-Milliarden-Sparpaket geschnürt werden. So senkten die Iren ihre Sozialleistungen um 2,8 Milliarden Euro. Im öffentlichen Dienst werden 25.000 Stellen gestrichen, um bis 2014 die staatlichen Lohnkosten um 1,2 Milliarden zu senken. Nur auf der niedrigen Unternehmenssteuer von 12,5 Prozent, mit der man viele Investoren angelockt hat, beharren die Iren – sehr zum Ärger der europäischen Geldgeber.

Harte Einschnitte gibt es aber nicht nur in Ländern, die bereits für Rettungskredite die Hand aufhalten. Auch in Spanien oder in Italien wird der Sparstift angesetzt. Die italienische Opposition läuft derzeit Sturm gegen Kürzungen in Höhe von 47 Milliarden Euro, die von der Regierung Berlusconi heute, Donnerstag, verabschiedet werden sollen. Italien ist immens verschuldet. Das Sparpaket soll daher noch heuer 1,8 Milliarden Euro bringen, fünf Milliarden 2012 und jeweils 20 Milliarden 2013 und 2014. Italiens Premier Silvio Berlusconi setzt dabei publikumswirksam auf einen Beitrag der Politik. Minister müssen ab Juli auf ihr Ministergehalt verzichten und bekommen künftig lediglich ein Abgeordnetensalär.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2011)

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