Das letzte Verhandlungskapitel wurden abgeschlossen. Nach einem Referendum soll das Land Mitte 2013 als 28. Mitglied in die EU aufgenommen werden. 56 Prozent der Kroaten sind derzeit für den Beitritt.
Brüssel/Apa/Red. Kroatien hat wie erwartet am gestrigen Donnerstag die EU-Beitrittsverhandlungen abgeschlossen. Damit ist es dem ungarischen Ratsvorsitz gelungen, praktisch in letzter Minute dieses ersehnte Thema unter Dach und Fach zu bringen. Am Nachmittag fand dazu eine Regierungskonferenz in Brüssel statt.
Schon vor der Sitzung hieß es in EU-Ratskreisen, dass die letzten offenen vier der insgesamt 35 Beitrittskapitel abgeschlossen würden. Auch beim bis zuletzt noch umstrittenen Monitoring habe es nunmehr eine Einigung gegeben. Diese Kontrolle der Umsetzung von EU-Vorgaben – vor allem im Bereich Justiz und Korruptionsbekämpfung – soll es bis zum Beitritt Kroatiens Mitte 2013 geben. Danach wird es kein Monitoring wie bei Rumänien und Bulgarien mehr geben. Frankreich und die Niederlande haben deshalb vor einigen Tagen noch Bedenken gegen den Abschluss der Beitrittsverhandlungen mit Kroatien geäußert. Diese Einwände seien nunmehr ausgeräumt, hieß es in Brüssel. Damit kann Kroatien im Lauf des übernächsten Jahres als 28. Mitglied der EU beitreten.
Dynamik für Westbalkan
Die Reaktionen auf den Abschluss der Beitrittsverhandlungen waren durchwegs positiv. Der kroatische Präsident Ivo Josipović sieht darin auch einen „zusätzlichen Ansporn für alle Staaten“ der Region. Einmal in der Europäischen Union, werde Kroatien unermüdlich für deren weitere Ausweitung und gegen neue Bedingungen für künftige Mitgliedstaaten eintreten. Diese Hoffnung wird auch von österreichischen Politikern getragen. Die Aufnahme Serbiens wäre laut dem Europasprecher der ÖVP, Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, nach dem erfolgreichen Verhandlungsabschluss mit Kroatien „der nächste sinnvolle Schritt“ zur Heranführung des Westbalkans an die Union.
Rückblickend war der Weg Kroatiens in die EU alles andere als einfach. Der anfangs aussichtsreiche Kandidat erlitt während seines Beitrittsprozesses zahlreiche Rückschläge, die die Verhandlungen in die Länge zogen. So verzögerte etwa der Grenzstreit mit Slowenien den Abschluss mehrerer Verhandlungskapitel. Diese Blockade dauerte fast zwei Jahre. Nur mit einem innenpolitischen Gewaltakt konnte nicht nur dieser Konflikt, sondern auch die notwendige Reform des Justizsystems in Angriff genommen werden. Sie galt lange als möglicher großer Stolperstein des Landes. Und auch die Verfolgung von Kriegsverbrechern hatte sich über Jahre hingezogen.
Im Herbst wird eine Volksabstimmung endgültig über den Beitritt des Landes entscheiden. Derzeit wird in Zagreb mit einem Ja der Bevölkerung gerechnet. Laut einer Umfrage des öffentlich-rechtlichen Senders HTV sind 56 Prozent der kroatischen Bürger für den Beitritt, etwa zehn Prozent sind unentschlossen. Auch laut einer Befragung des Senders Nova TV sind 57 Prozent der Befragten für den Beitritt.
Politikwissenschaftler warnen allerdings davor, dass sich die Stimmung noch drehen könnte. Insbesondere dann, wenn sich die Schuldenkrise in der EU weiter verschärft.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2011)