Lobby-Kontakte: Abgeordnete dürfen sie verschweigen

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Strengere Strafen für unredliche Euromandatare scheitern derzeit an der Angst vor dem Gerichtshof der EU. So bleibt der neue Verhaltenskodex, der zu Jahresbeginn 2012 in Kraft treten soll, lediglich Stückwerk.

Strassburg/Go. Auch künftig dürfen Europaabgeordnete die Treffen mit Lobbyisten, die Einfluss auf ihre Gesetzgebung zu nehmen versuchen, verschweigen. Der neue Verhaltenskodex, eine Reaktion auf den Korruptionsskandal rund um Ernst Strasser, den früheren Chef der ÖVP-Europaabgeordneten, wird keine Pflicht enthalten, einen „legislativen Fußabdruck“ zu veröffentlichen, also eine Liste der Vertreter von Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen und sonstigen Interessengruppen, mit denen die Mandatare im Zug ihrer Arbeit Umgang pflegen.

Und auch sonst weist dieser Verhaltenskodex, der ab Herbst im Parlament behandelt wird und zu Jahresbeginn 2012 in Kraft treten soll, einige Schwächen auf. So gibt es weiterhin keine Beschränkung von bezahlten Nebentätigkeiten während des laufenden Mandats mit der Ausnahme, dass man im Fall von Interessenkonflikten nicht Berichterstatter oder Ausschussvorsitzender für eine bestimmte Causa werden darf. Die höchste Geldbuße, die Mandatare zu fürchten haben, die Nebenjobs und finanziellen Zuwendungen von dritter Seite nicht ordnungsgemäß melden, sind zehn Taggelder, die sie für die Lebenshaltung in Brüssel und Straßburg erhalten.

Strengere Regeln kann der Verhaltenskodex aus juristischer Vorsicht nicht enthalten, sagt der luxemburgische Abgeordnete Claude Turmes (Grüne), der am Kodex mitgearbeitet hat. Es sei unklar, ob das Parlament dafür die Zuständigkeit hat. „Wenn wir mehr als zehn Tagsätze als Sanktion einführen würden, zöge der erste davon betroffene Abgeordnete garantiert vor den Gerichtshof der EU“, sagt Turmes.

Keine unabhängige Kontrollinstanz

Und so bleibt der Kodex nur Stückwerk. Auch ein neuer Ausschuss, der den Parlamentspräsidenten in Verdachtsfällen berät, bringt keine echte Verbesserung. „In der derzeitigen Form ist das keine unabhängige Kontrollinstanz, sondern ein Sekretariat des Parlamentspräsidenten“, erklärt der fraktionslose Europaabgeordnete Martin Ehrenhauser, ein früherer Mitstreiter von Hans-Peter Martin, gegenüber der „Presse“. Er fordert zudem, dass die Euromandatare zur Vermeidung von Interessenkonflikten für mindestens ein Jahr nach Ende ihres Mandats neue Jobs vorab vom Parlament genehmigen lassen müssen. Doch auch das ist vorerst Zukunftsmusik.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2011)

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