Lambrinidis: „Die Märkte geben uns keine Zeit“

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Außenminister Lambrinidis pries in Wien die harten Sparmaßnahmen in seiner Heimat an und attackierte Spekulanten sowie Ratingagenturen. Ein Staatsbankrott oder ein Schuldenschnitt sind für ihn keine Option.

Wien. Sein Frühstück rührte Stavros Lambrinidis nicht an. Der neue griechische Außenminister musste so viel reden. Wortreich setzte er am Donnerstagmorgen einer Handvoll österreichischer Journalisten in der Residenz seines Botschafters in Wien auseinander, wie hart sein Land spare und wie unfair die Ratingagenturen auf diese Anstrengungen reagieren würden. „Die Märkte geben uns keine Zeit“, beklagte der in den USA ausgebildete Anwalt, den Ministerpräsident Giorgios Papandreou vor drei Wochen ins Außenministeramt gehievt hat.

Es ist eine PR-Mission, die Lambrinidis zunächst nach Berlin und tags darauf nach Wien geführt hat. Der 49-jährige Sozialdemokrat wählte bewusst jene beiden Hauptstädte als Reiseziele aus, in denen er die größten Zweifel an den finanziellen Rettungspaketen für seine Heimat vermutet.

Zahlungsausfall keine Option

Ein Staatsbankrott, ein Schuldenschnitt, die manche Ökonomen für unausweichlich halten, sind für ihn keine Option. „Wir planen weder einen teilweisen noch einen vollständigen Zahlungsausfall“, versicherte er vor seinem Treffen mit Außenminister Spindelegger. Die öffentlichen Debatten, die Europas Eliten über die richtige Medizin für Griechenland führten, seien entmutigend. „Die Leute brauchen Licht am Ende des Tunnels.“ Die Bestrafungsrhetorik gegen Griechenland müsse ein Ende haben.

Vom ersten Tag der Krise an sei der Bankrott Griechenlands prophezeit worden, eingetreten sei er nicht, erklärte Lambrinidis, der unumwunden eingestand, dass Griechenland die Vertrauenskrise durch verantwortungslose Schuldenmacherei selbst ausgelöst habe. Doch allein im Jahr 2010 habe sein Land in einem Kraftakt das Defizit um fünf Prozent verringert, 83.000 Beamte abgebaut, die Zahl der Gemeinden von 1400 auf 300 reduziert, das Pensionseintrittsalter erhöht. Weitere Härten seien im jüngst verabschiedeten Sparpaket beschlossen worden. Doch anstatt dies zu honorieren, hätten Ratingagenturen Griechenland danach noch schlechter bewertet. Dabei sei es erwartbar gewesen, dass sich die Verschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (derzeit 160 Prozent des BIPs) erhöht, wenn Griechenland in eine Rezession schlittert.

An diesem Punkt setzte in der Rechtfertigungssuada des griechischen Außenministers die Spekulantenschelte ein. Spekulanten hätten hunderte Milliarden auf den Bankrott Griechenlands gesetzt. Europa müsse sich gegen diese Angriffe gemeinsam zur Wehr setzen, erklärte der Sozialdemokrat und forderte die Einführung von Euroanleihen und einer Finanztransaktionssteuer.

„Brauchen Luft zum Atmen“

Die Einnahmen daraus will er verwenden, um Wachstumsstrategien zu finanzieren. Wachstum ist auch das Zauberwort, mit dem Lambrinidis sein Land aus der Schuldenfalle befreien will. „Wir brauchen Luft zum Atmen“, sagte er und warb damit für längere Laufzeiten bei Krediten und für Investitionen. Wie Griechenland gute Preise (eingeplant sind 50 Milliarden Euro) für die Notprivatisierungen erzielen werde, konnte er nicht schlüssig erklären. Ausschlaggebend dürfte auch in diesem Zusammenhang das Prinzip Hoffnung sein. Bis EU und IWF im September die Entscheidung über das zweite Griechenland-Hilfspaket im Umfang von weiteren 87 Milliarden Euro fällen, wird es noch einige Positionskämpfe geben. Und da ist Lambrinidis bei aller Kritik an Ratingagenturen dann doch klar: „Es muss eine Entscheidung geben, die der Markt akzeptiert.“

Zur Person

Stavros Lambrinidis (geb. 1962 in Athen) löste am 17.Juni Dimitris Droutsas als griechischen Außenminister ab.
Davor war der sozialdemokratische Anwalt Vizepräsident des EU-Parlaments.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2011)

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