Währungsunion: Ein Phantom namens „Eurogruppe“

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Während die EU von Krisentreffen zu Krisentreffen wankt, wächst die Kritik an der informellen Ministerrunde unter Jean-Claude Juncker. Bis Sommer 2012 ist der Luxemburger noch als Vorsitzender bestellt.

Brüssel. Man glaubt es kaum, aber es ist wahr: Bevor im Winter 2009/2010 die griechische Malaise ausbrach und Europas Währungsunion in die Sinnkrise stürzte, gab es in Brüssel nur wenige amtliche Anlässe, die langweiliger waren als die Treffen der Eurogruppe.

Bis auf die Korrespondenten der Finanznachrichtenagenturen tat sich fast kein Berichterstatter die Mühe an, am Vorabend des Treffens aller EU-Finanzminister, des Ecofin, in die fahlen Katakomben des Brüsseler Ratssekretariates zu pilgern, um die Ausführungen von Jean-Claude Juncker zu protokollieren. Denn bis zum Ausbruch der Griechenland-Krise war alles eitel Wonne. Juncker, seit 1.Jänner2005 Vorsitzender der Eurogruppe und einer der Gründerväter der Gemeinschaftswährung, konnte sich einer Erfolgsgeschichte rühmen.

Dann krachte Athens Haushalt zusammen. Und seither ist die Eurogruppe eines der Gremien, welche die meiste Aufmerksamkeit erhalten. Die Finanzreporter müssen seither mit den politischen Berichterstattern um die Sitzplätze im Pressesaal rangeln. Denn nun ist der Euro in Gefahr, und die Bürger, die Banken, die Investoren, sie erwarten von Junckers abendlicher Ministerrunde Entscheidungen, Beschlüsse, Lösungen.

„Juncker ist die Eurogruppe“

Das Problem ist bloß: Die kommen nicht. Das liegt an der Struktur der Eurogruppe, die als informelles Gremium gegründet wurde und weder ein ständiges Sekretariat noch einen Chef hat, der sich ausschließlich um die Belange der Währungsunion kümmern kann.

Das liegt aber auch an der Person Junckers und an seinem Politikverständnis. Und damit sind wir mitten in jenem kalten politischen Konflikt im Herzen der Union, der jederzeit ausbrechen kann, weil sich immer mehr Diplomaten, Minister, Regierungschefs die Frage stellen: Wer spricht für den Euro?

Wer Junckers Sprecher in Luxemburg anruft, kann eine humorvolle und scharfsinnige Unterhaltung über Stärken und Schwächen der Eurogruppe führen. Zitieren darf man ihn aber nicht. „Ich bin nur ein luxemburgischer Staatsbeamter. Da müssen Sie schon die Eurogruppe selber fragen“, gab er der „Presse“ mit auf den Weg.

Aber wer ist das? Im Generalsekretariat des Rates hebt ein hoher Funktionär entschuldigend die Arme. Vier, fünf Beamte würden die Eurogruppe-Treffen vorbereiten. Ein ständiges Sekretariat gibt es nicht, einen Sprecher auch nicht. Das heißt: Eigentlich schon. „In gewisser Weise ist Juncker der Sprecher der Eurogruppe.“

Bis Sommer 2012 ist der Luxemburger bestellt, er wird dann siebeneinhalb Jahre im Amt gewesen sein. Doch er hat nur eine koordinierende Rolle. Die wahren Entscheider sitzen in Berlin und Paris. Der ominöse Spaziergang von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy am Strand von Deauville im Herbst vergangenen Jahres, bei dem die deutsche Kanzlerin und der französische Präsident den Kern der Reformen des Stabilitätspaktes versenkten, hat die Grenzen der Macht Junckers klar aufgezeigt. „Die Chemie zwischen ihm und den beiden stimmt nicht“, sagte ein Diplomat zur „Presse“.

„Keiner, der sich das antun will“

Und auch bei den Regierungschefs gärt es. „Es ist kein Platz für Unentschlossenheit und Fehler wie den, Entscheidungen zu treffen, die sich als ,zu wenig, zu spät‘ herausstellen“, donnerte der Grieche George Papandreou am Montag in einem offenen Brief. Dessen Adressat: Jean-Claude Juncker. Besondere Pikanterie: Den Vorwurf des Zauderns musste er sich schon im Herbst 2008 von Sarkozy anhören. Der war erbost darüber, dass Juncker angesichts des Ausbruchs der Bankenkrise kein Sondertreffen der Eurogruppe einberief.

Bloß: So wie die Dinge liegen, dürfte Junckers Nachfolger wieder Jean-Claude Juncker heißen. „Ich sehe keinen, der sich das antun will“, bemerkte ein langjähriger Brüssel-Beobachter.

Auf einen Blick

Die Eurogruppe ist laut Lissabon-Vertrag – streng genommen – die monatliche formlose Versammlung der Finanzminister der 17 Staaten der Europäischen Währungsunion, am Vorabend des jeweiligen Finanzministerrates Ecofin. Der EU-Wirtschaftskommissar nimmt teil, der Präsident der Europäischen Zentralbank ebenso.

Die Krise des Euro legt die Schwachstellen dieser Einrichtung offen. Die Öffentlichkeit erwartet, dass die Eurogruppe konkrete Antworten auf die Probleme der Gemeinschaftswährung gibt. Doch sie darf formal keine Beschlüsse fällen. Darum sind ihre Erklärungen typischerweise sehr vage und heizen so erst recht die Spekulation an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.07.2011)

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