Euro-Schirm wird zur Versicherung

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Berlin und Paris vereinbaren, dass die EFSF den Kauf von Anleihen der Euroländer versichern kann. Diese Lösung erledigt drei Probleme mit einem Streich. Unter anderem soll das Zinsen für neue Schulden drücken.

Brüssel. Wie macht man aus 440 Milliarden Euro eine Billion, zwei oder gar zweieinhalb? Über diese Frage zerbrechen sich seit Wochen Europas Finanzexperten den Kopf. Wenige Tage vor Beginn des Treffens der Staats- und Regierungschefs sowie der Finanzminister der Euroländer zeichnet sich ab, welche Antwort sie gefunden haben: Das Euro-Rettungsvehikel EFSF soll eine Versicherung für die Staatsanleihen von Euroländern werden.

Nach deutsch-französischen Regierungsplänen soll das so funktionieren: Wenn ein Land der Eurozone eine Anleihe begibt, aber die Befürchtung hat, dafür nicht genügend Käufer zu finden und folglich einen höheren – möglicherweise untragbar hohen – Zinssatz zahlen zu müssen, soll die EFSF (in vollem Wortlaut: Europäische Finanzstabilisierungsfazilität) als Versicherung einspringen. Sie soll den zögerlichen Anlegern anbieten, im Fall des Kaufs der betreffenden Staatsanleihe einen Teil des theoretischen Verlustrisikos zu übernehmen. Im Gespräch ist eine Risikoübernahme von 20 bis 30Prozent des Anleihevolumens. Diese Sicherheit soll die Hemmungen der Investoren abbauen und für verstärktes Interesse an Staatsanleihen aus der Eurozone sorgen. Wenn sich mehr Käufer für einen Bond interessieren, sinkt logischerweise dessen Verzinsung. Und damit wird es für den infrage kommenden Staat billiger, sich selbst auf dem Markt zu refinanzieren.

Dreifacher Nutzen für die Eurozone

Diese Lösung erledigt drei Probleme mit einem Streich: Erstens ist es für ihre Umsetzung nicht erforderlich, das gerade erst in mühsamen zwischenstaatlichen Verhandlungen ausgeweitete Statut der EFSF zu ändern. Zweitens kann sie unter Umständen mit der Schaffung der Versicherung vorab verhindern, dass ein Euroland überhaupt ins Trudeln kommt, weil ihm seine Refinanzierungskosten über den Kopf wachsen.

Der sogenannte „Hebeleffekt“

Drittens erlaubt diese Lösung die „Hebelung“ des EFSF-Budgets, von der seit Längerem die Rede ist. Einfach gesagt: 440 Milliarden Euro (abzüglich der Mittel für die laufenden Programme für Irland, Portugal und Griechenland) würden nie reichen, um Italien oder Spanien herauszuboxen. Kann man aber die EFSF-Mittel als Hebel ansetzen, um die private Finanzierung der Schuld dieser Staaten anzukurbeln, hat man auf einfache Weise viel gewonnen – egal, ob der „gehebelte“ Betrag eine, zwei oder noch mehr Billionen Euro ausmacht. Die Bundestagsfraktionen der deutschen Regierungsparteien CDU und FDP haben daher am Mittwoch grünes Licht dafür gegeben.


Und auch bei der Finanzierung großer Infrastrukturprojekte will man künftig „hebeln“. Kommissionspräsident José Manuel Barroso erklärte am Mittwoch, bis zum Jahr 2014 230 Millionen Euro aus dem EU-Budget dafür zu verwenden, mit der Europäischen Investitionsbank (EIB) „Projektanleihen“ aufzulegen. Sie sollen Pensionsfonds und Versicherungskonzernen die Beteiligung an Bauprojekten schmackhaft machen. Bis zu 4,5 Milliarden Euro sollen so „gehebelt“ werden. Eine Kommissionsexpertin gab aber zu, dass dieser 20-fache Hebeleffekt von der Güte der Projekte abhängen wird. Und klar ist: Das Risiko für den Ausfall trägt der Steuerzahler. Für die 230 Millionen Euro haftet das EU-Budget, für jeden darüber hinausgehenden Betrag die EIB.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2011)

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