Schuldenkrise: Papandreou geht die Kraft aus

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Noch einmal gelang dem griechischen Premier Giorgos Papandreou ein Sparpaket, aber sein Einfluss selbst bei den eigenen sozialistischen Parteigenossen schrumpft. Tritt er nach einem Schuldenschnitt zurück?

Athen/Jes/Ag. Giorgos Papandreou hat Stehvermögen. Gegen den Willen seiner eigenen sozialistischen Parteigenossen, gegen die Opposition und gegen den wachsenden Protest auf der Straße hat der griechische Ministerpräsident innerhalb von nur fünf Monaten das zweite tiefgreifende Sparpaket durch das Parlament gebracht. Auch diesmal sprang wieder eine seiner Pasok-Abgeordneten ab. Die ehemalige Arbeitsministerin Louka Katseli stimmte gegen den radikalen Abbau von Staatsbediensteten und gegen die verordneten Lohn- und Pensionskürzungen. Papandreou schloss sie dafür aus der Partei aus. Jetzt verfügt er nur noch über eine hauchdünne Parlamentsmehrheit von 153 der insgesamt 300 Abgeordneten. Mit 160 Abgeordneten war er vor zwei Jahren angetreten.

Langsam geht dem Sozialisten die Kraft aus. Gerüchte mehren sich, er warte nur noch die Entscheidung der Staats- und Regierungschefs der EU zu einem Schuldenschnitt für sein Land ab. Dann könnte er abtreten oder einen weiteren Versuch starten, seine Macht in die Hände einer Regierung der nationalen Einheit aus Pasok und der konservativen Nea Dimokratia (ND) zu legen. Am vergangenen Dienstagabend hat er dies dem Vernehmen nach erneut seinem Rivalen, ND-Chef Antonis Samaras, angeboten. Doch der lehnte dies ebenso wie im vergangenen Juni ab. Er fordert statt dessen Neuwahlen.

Samaras weiß, dass es für Papandreou immer schwieriger wird, die von den internationalen Geldgebern geforderten Reformen umzusetzen. Zerstritten, unkoordiniert und vor allem unentschlossen zeigt sich die sozialistische Regierung. Unentschlossen, sich endgültig gegen die Gewerkschaften durchzusetzen. Es sind vor allem die regierungsnahen Gewerkschaften, die „Blut fließen“ lassen wollen, wenn weiter gespart wird. Sie verkörpern die „tiefe Pasok“, den Flügel der regierenden Sozialisten, der im Sparkurs einen Verrat an den eigenen Idealen sieht. Ihnen stehen die „Reformer“ entgegen, die erst vor einigen Tagen in einem offenen Brief die Überwindung eben dieser Partikularinteressen fordern. Doch Papandreou scheint nicht mehr in der Lage, die Flügel zu vereinen, eine Linie verbindend vorzugeben.

Eigene Fraktion droht zu zerfallen

Innerhalb seiner Fraktion ist die Stimmung zum Zerreißen angespannt, viele Parlamentarier und auch Minister haben bereits artikuliert, dass sie die Verantwortung nicht mehr allein übernehmen wollen.

Doch ein nationaler Konsens, für internationale Beobachter der einzig logische Schritt, zeichnet sich nicht ab. Nicht nur Samaras, auch die übrigen Oppositionsparteien vor allem des linken Spektrums lehnen jede Beteiligung am „Raubzug“ gegen die Arbeitnehmer ab und verlangen Neuwahlen. Solchermaßen geschwächt muss Papandreou am Sonntag zum EU-Gipfel nach Brüssel reisen, um, wie die griechischen Medien lästern, dort höchstens noch die Vorgaben der anderen Euroländer entgegenzunehmen. Längst „werde über uns ohne uns“ entschieden, lauten die Athener Schlagzeilen.

Papandreou selbst äußerte freilich Zweifel, dass es beim EU-Gipfel am Sonntag schon zu einer Entscheidung für sein Land kommen werde. Er ließ zwar durchklingen, wie sehr Griechenland eine klare Linie der EU-Partner bräuchte. Gleichzeitig warnte er davor, dass weitere politische Verzögerungen die Situation noch verschlimmern könnten. Am Freitag wurde von Wirtschaftsexperten bereits ein neuerlicher Wachstumseinbruch prognostiziert.

Es ist die Ausweglosigkeit, die auch die Bürger auf die Straße treibt. Zwei Tage lang haben sie diese Woche die Hauptstadt Athen, den Schiffs- und Flugverkehr lahmgelegt. Am Freitag herrschte gespannte Ruhe. „Was geschieht mit uns, was soll aus unseren Kindern werden“, fragt sich der Finanzbeamte Stavros Mavrakis, einer der Demonstranten. Auch er wünscht sich endlich eine Entscheidung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2011)

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