Fekter: Griechenland und Kärnten „sind vergleichbar“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Österreichs Finanzministerin Maria Fekter warnt vor den Folgen einer griechischen Staatspleite, sollte das angekündigte Referendum negativ ausgehen. Dabei sei das "kleine" Griechenland nicht das größte Problem.

Die Presse: Der griechische Premier Papandreou hat am Montag angekündigt, das EU-Hilfspaket einem Referendum zu unterziehen. Nun herrscht Ratlosigkeit, haben Sie von diesem Vorhaben wirklich nichts gewusst?

Maria Fekter: Bisher hatte ich noch nicht die Gelegenheit, mit Herrn Papandreou zu sprechen, ich kenne aber den griechischen Finanzminister, Evangelos Venizelos. Er hat in keiner Sitzung auch nur andeutungsweise erwähnt, dass Griechenland eine Volksabstimmung über die EU-Hilfen plant.

Was ist eigentlich so schlimm daran, das Volk zu befragen?

Nichts.

Warum also die Aufregung?

Der Plan der Volksabstimmung ist vermutlich als innenpolitischer Befreiungsschlag gedacht. Dieser vermeintliche Befreiungsschlag kann aber dazu führen, dass Griechenland in die Staatspleite rutscht (falls die Griechen das EU-Hilfspaket ablehnen, Anm.). Genau das wollen wir ja verhindern. Daher die Irritationen.

Es geht also weniger um die fehlende Abstimmung als um die große Angst vor einem negativen Ausgang des Referendums, das ja letzten Endes auf die Frage hinausläuft, ob Griechenland im Euro bleibt oder nicht.

Das werden wir uns vom griechischen Finanzminister erklären lassen. Erst dann werden wir sehen, was Griechenland vorhat. Alles andere ist Spekulation, ich muss mich an die Fakten halten.

Partiell insolvent ist Griechenland ja schon. Was würde denn passieren, wenn das Land den völligen Staatsbankrott erklärte?

Griechenland könnte seine Staatsbediensteten nicht mehr bezahlen: von Krankenschwestern über Polizisten bis hin zu Finanzbeamten. Alles stünde still, womit sich die sozialen Unruhen verstärkten. Neben dem operativen Stillstand des Staates würden alle Versicherungen gegen den Totalausfall griechischer Anleihen (die berüchtigten CDS, Anm.) schlagend werden. Die müssten dann bezahlt werden. Beispielsweise von der Kommunalkredit, die eine ganze Menge dieser CDS hält.

Wäre die Eurozone ohne Griechenland eine bessere Eurozone?

Die Eurozone wäre dann eine bessere, hätten sich alle Mitglieder an die Konvergenzkriterien gehalten.

Was sie nicht getan haben.

Deshalb wurde ja vereinbart, dass Länder, die ihre Defizite nicht rasch zurückfahren und Schulden nicht entschlossen abbauen, exorbitante Strafen bezahlen müssen.

Versuchen wir es noch einmal: Wäre die Eurozone stabiler, wäre Griechenland nicht mehr Mitglied?

Wir sollten nicht darüber diskutieren, wer aus der Eurozone geworfen werden sollte.

Rausgeworfen kann ohnehin niemand werden. Es geht darum, dass Griechenland seine Probleme mit einer abgewerteten Drachme leichter in den Griff bekäme als mit einer Abwertung im Euro – das hieße nämlich drastische Lohnkürzungen.

Die kleine Volkswirtschaft Griechenland ist nicht das große Problem. Das ist vielmehr in den exorbitant hohen Schulden größerer Euroländer zu sehen. Wir haben erst in den letzten Jahren wirklich gelernt, wie gefährlich hohe Schulden sind. Das hat zu einem Umdenken geführt, sogar in Italien.

Wissen Sie, von wem folgendes Zitat stammt: „Einen Schuldenschnitt Griechenlands wird es mit mir nicht geben“?

Das ist sicherlich von mir.

Stimmt. Zugestimmt haben Sie dem Schuldenschnitt trotzdem.

Allerdings ging es dabei um die staatlichen Hilfen an Griechenland. Und die Kredite, die im Namen der österreichischen Steuerzahler an Griechenland vergeben wurden, sind auch nicht vom Schuldenschnitt betroffen. Es handelt sich um einen freiwilligen Beitrag, den die Banken leisten.

Das bedeutet also, dass sich der Gläubiger Staat über die privaten Gläubiger stellt, indem er von ihnen Schuldennachlässe fordert, die er selbst nicht bereit ist zu geben?

Die Privaten können besser abschätzen, wie viel sie aufgrund ihres Portfolios beitragen können.

Besser als der Staat?

Wenn etwa griechische Anleihen von Privaten zu einem günstigen Preis (Kurs, Anm.)erworben wurden, ist es leichter, auf einen Teil des Geldes zu verzichten als für die Steuerzahler, die ja Kredite vergeben haben. Mir ist auch wichtig, die Österreicher zu beruhigen und ihnen zu sagen, dass der Schuldenschnitt nicht für bereits ausgezahlte oder in Aussicht gestellte Griechenland-Hilfe gilt.

Wenn Griechenland in der Eurozone bleibt, wird diese endgültig zur reinen Transferunion. Man wird auch nach 2012 für Griechenland weiter zahlen müssen.

Aber schauen Sie sich doch einmal die Realität an: Die EU-Agrarpolitik funktioniert so, ähnlich der Strukturfonds, den Kommissar Johannes Hahn verantwortet. Die EU bemüht sich um Ausgleich, in Österreich haben einige Regionen davon sehr profitiert. Nur: Das haben wir in Österreich bitte auch. Da haben die Steuerzahler vom Burgenland bis nach Vorarlberg – Stichwort Hypo – Geld nach Kärnten geschaufelt.

Das macht es nicht wirklich besser.

Das macht es nicht besser, aber kein Mensch käme in Österreich auf die Idee, Kärnten auszuschließen. Wir stehen und halten zusammen, auch wenn ein Land noch so marode ist und aufgrund von schwerer Misswirtschaft in der Vergangenheit zum Sorgenkind aller wird.

Für Sie sind die Griechen wie die Kärntner?

Ja, ein bisschen: Strukturschwache Regionen, die ein Sorgenkind mitschleppen – Griechenland den Schuldenberg, Kärnten die Hypo Alpe Adria. Sie sind vergleichbar.

Stünde Österreich heute vor der Wahl, dem Euroraum beizutreten, wären Sie dann dafür?

Ja, zumal wir bei den neuen Aufnahmen unvergleichlich strenger und konsequenter vorgehen. Schwindeleien, wie sie in Griechenland passiert sind, würde sich die EU nicht mehr bieten lassen. Griechenland würde heute nicht mehr aufgenommen werden. Ungeachtet dessen braucht es Verbesserungen in der Fiskal- und Finanzpolitik der EU: Ein Wettbewerbskommissar kann gegen Unternehmen mit Hausdurchsuchungen und hohen Strafen vorgehen. Der Währungskommissar hat nichts in der Hand, obwohl er über sehr Wichtiges wacht. Solche Mängel müssen behoben werden.

Das hieße mehr Kompetenzen für den Währungskommissar.

Wir alle müssen unsere Hausaufgaben machen. In Österreich etwa bei den Pensionen, beim Defizit und so weiter.

Sie erwähnen aber Österreich immer wieder als Vorbild. Dabei geht es um ein Land, das Kredite aufnehmen muss, um seine Zinsen bezahlen zu können. Ist es nicht vielmehr so, dass wir gut dastehen, weil es anderen noch schlechter geht?

Sie haben recht, man darf sich nicht in die Tasche lügen, nur weil es den anderen noch schlechter geht. Aber wir haben die geringste Arbeitslosenquote Europas, wir haben eine Erwerbsquote wie niemals zuvor. Man soll auch die guten Sachen sagen, auch wenn Sie sich damit schwertun.

Was nichts daran ändert, dass wir die ältesten Studenten und die jüngsten Pensionisten haben.

Nein, die beste Erwerbsquote haben wir nicht nur durch Frühpensionisten. Dennoch müssen wir Anreize setzen, dass länger gearbeitet wird. Daher ist die steuerliche Bevorzugung eines Golden Handshake zu beseitigen, auch wenn oder weil dies fast jedes – auch staatliche – Unternehmen nützt, um ältere Arbeitnehmer abzubauen. Da kämpfe ich freilich alleine auf weiter Flur.

Vielleicht geht es nur mit Druck von außen?

Ich weiß, was Sie meinen, aber wir laufen nicht Gefahr, unser Triple-A zu verlieren, wir werden bei diesen Themen wie den Frühpensionen weiter aktiv sein.

Und wie? In Ihrer Budgetrede blieben Sie vage.

Indem wir das tatsächliche Antrittsalter erhöhen. Wir brauchen ein gutes Bonus-Malus-System, das versicherungstechnisch zu berechnen ist: Wenn ich sieben Jahre zu früh in Pension gehe, wird diese Zeit zur statistisch erwarteten Dauer der Pension gerechnet. Die gesamte durchschnittliche Pensionszahlung wird dann durch den längeren Zeitraum dividiert, und so komme ich auf meine Pension. Umgekehrt erhöht sich die Pension, wenn ich länger arbeite. Das ist radikal, aber als Ziel ist es gut.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2011)

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