Monti bereitet Italien auf Opfer vor

(c) AP (Mauro Scrobogna)
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Italiens neuer Ministerpräsident will hart, aber gerecht sparen. Studenten protestieren gegen Kürzungen im Bildungssystem. Europa befinde sich in der schwersten Krise der Nachkriegszeit, warnte Monti.

Rom. Es war ein neuer, ungewohnter Ton, der gestern im römischen Senat angeschlagen wurde. Nüchtern, konzentriert, mit der für ihn charakteristischen etwas spröden Stimme erläuterte der neue italienische Ministerpräsident Mario Monti vor der zweiten Parlamentskammer, mit welchen Maßnahmen er Italien zu sanieren gedenkt. Für die Italiener enthielt seine „Vorlesung“, wie manche hinterher spöttelten, eine klare Botschaft. Auf sie kommen „Opfer“ zu, so formulierte es Monti, doch sollen sie „gleichmäßig“ verteilt werden. „Je gerechter die Verteilung, desto größer wird die Unterstützung dafür sein, nicht nur in Italien, sondern auch im Parlament.“

Lediglich am Anfang leistete sich der einstige EU-Kommissar ein wenig Pathos. Europa befinde sich in der schwersten Krise der Nachkriegszeit, warnte Monti, und Italien spiele in den nächsten Wochen eine entscheidende Rolle, ob der Euro – und damit das europäische Projekt – gerettet werden könne. Sein Notkabinett – es besteht ausschließlich aus Professoren und Experten – versteht er deshalb als eine „Regierung der nationalen Verpflichtung“.

Ausgeglichener Haushalt bis 2013

Ihre Arbeit soll auf drei Säulen ruhen: Haushaltsdisziplin, Wachstum und soziale Ausgewogenheit. Nur wenn Italien seine Schulden abbaue, werde es wieder Glaubwürdigkeit erlangen, sagte Monti, der in Personalunion auch neuer Minister für Wirtschaft und Finanzen ist. Bis 2013 soll ein ausgeglichener Haushalt erreicht werden, gleichzeitig sei es von zentraler Bedeutung, die Wirtschaft anzukurbeln und Reformen auf dem Arbeitsmarkt durchzuführen. „Im italienischen Arbeitsmarkt sind viele extrem geschützt, während andere gar keine Rechte haben.“ Er kündigte auch Reformen im Pensions- und Steuersystem an. Die Lohnsteuer soll gesenkt und dafür die Verbrauchersteuern erhöht werden. Besondere Anstrengungen will Monti unternehmen, um junge Leute und Frauen zu fördern.

Für seine 45-minütige Rede erhielt Monti viel Achtungsapplaus, mehr nicht. Die Lega Nord, die einzige Partei, die einen strikten Oppositionskurs angekündigt hat, mochte ihm nicht einmal diesen Höflichkeitstribut zollen. Noch am Abend musste sich Monti einer Vertrauensabstimmung unterziehen, deren Ausgang aber als gesichert galt. Mit versteinerten Gesichtern verfolgten die meisten Senatoren aus Berlusconis Partei Volk der Freiheit (PdL) den ersten Auftritt seines Nachfolgers. Der hatte zuvor mehr als deutlich gemacht, dass mit ihm weiter zu rechnen ist.

Man werde Monti unterstützen, stimmte Berlusconi seine Senatoren vor der Sitzung ein, aber nicht „bedingungslos“. Die neue Regierung sei eine „Suspendierung der Demokratie“, und die PdL werde ihr lediglich von Fall zu Fall ihre Stimme geben. Um sich an der Diskussion um die Reformen „aktiv“ zu beteiligen, will Berlusconi ein Schattenkabinett bilden. Sobald die Krise vorbei sei und die Regierung ihr Mandat erfüllt habe, werde wieder gewählt, verkündete Berlusconi. „Wir entscheiden, wie lange sie dauert.“

Auch außerhalb des Parlaments hat der Präsident der Mailänder Universität Bocconi, einer Kaderschmiede für Generationen von italienischen Bankern und Spitzenbeamten, keineswegs nur glühende Anhänger. In linken Studentenkreisen gilt er als Vertreter eines Systems, das die derzeitige Krise ausgelöst hat. Vielen ist Monti auch verdächtig, weil er der sogenannten Bilderberg-Konferenz angehört, einem informellen weltweiten Zirkel der Mächtigen. In mehreren großen Städten gingen gestern Studenten aus Protest gegen Sparmaßnahmen im Bildungsbereich auf die Straße. Vor allem in Mailand kam es zu Krawallen.

Auf einen Blick

Mario Monti will mit seiner italienischen Expertenregierung innerhalb von zwei Jahren einen ausgeglichenen Haushalt erreichen, die Schulden abbauen und Reformen einleiten. So sollen Privilegien für Teile der Arbeitnehmer fallen. Auch das Pensions- und Steuersystem soll durchforstet werden. Die Lohnsteuer soll gesenkt und dafür die Verbrauchersteuern erhöht werden. Sein Vorgänger Berlusconi will den neuen Regierungschef nur teilweise dabei unterstützen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2011)

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