Cameron „verschenkte“ sein Veto gegen die EU-Vertragsänderung

(c) EPA (DOMINIC LIPINSKY)
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Der jüngste Deal der deutschen Kanzlerin Angela Merkel mit dem britischen Premierminister David Cameron hat für ihn ein innenpolitisches Nachspiel. Vielen Euroskeptikern auf der Insel genügen Zugeständnise nicht.

London. Erst vor einer Woche hatte Großbritanniens Premier, David Cameron, noch vollmundig angekündigt, er wolle die Eurokrise nutzen, um die Union zu reformieren und die Rolle seines Landes neu zu verhandeln. Gestern, bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach dem Besuch bei der deutschen Bundeskanzlerin, Angela Merkel, war davon keine Rede mehr: Cameron beschränkte sich in einer Rede vor britischen Wirtschaftsvertretern fast kleinlaut darauf, vor den Konsequenzen der Euro-Schuldenkrise für die britische Wirtschaft zu warnen.

Laut Medienberichten hat es der Konservative im Gespräch mit Merkel zwar geschafft, kleine Zugeständnisse herauszupressen – so könnten die EU-Arbeitszeitregeln, die vielen britischen Arbeitgebern ein Dorn im Auge sind, überarbeitet werden. Doch vielen Euroskeptikern auf der Insel genügt das nicht: Sie fürchten, dass Cameron sein Veto gegen eine Vertragsänderung schlicht und einfach „verschenkt“ hat.

Wie „Guardian“ und „Financial Times“ berichten, hatten sich Merkel und Cameron bei Räucherlachs und Entenbraten darauf geeinigt, dass London einer EU-Vertragsänderung zur stärkeren finanzpolitischen Zusammenarbeit und Kontrolle der Eurozone nicht im Wege stehen werde, sofern davon nur die 17 Euroländer betroffen seien. Im Gegenzug habe Merkel versprochen, die EU-Arbeitszeitregel mit der Höchstgrenze von 48 Wochenstunden zu überprüfen und einer Reform oder einer weiteren Ausnahmeregel für Großbritannien zuzustimmen.

„Ein faires Geschäft?“, fragte daraufhin Tim Montgomerie, einer der einflussreichsten konservativen Vordenker in seinem Blog „ToryDiary“– und beantwortete die Frage gleich selbst: „Ich glaube kaum, dass die konservativen Euroskeptiker das so sehen werden.“ Auch Mats Persson, Direktor beim eurokritischen Thinktank „Open Europe“ in London, gab sich gegenüber der „Presse“ enttäuscht: „Das reicht nicht.“ Wichtiger und lohnender für die Briten sei, eine Ausnahmeregel oder eine Art Notbremse bei der Regulierung der Finanzmärkte auszuhandeln, um den Finanzplatz London zu schützen. „Die Verhandlungen stehen ja noch ganz am Anfang. Ich glaube, die Regierung wird versuchen, da noch mehr herauszuhandeln.“

Dabei sind weitreichende EU-Reformen derzeit gar nicht im innenpolitischen Interesse Camerons. Denn einerseits droht dabei Zoff mit dem Koalitionspartner, den europafreundlichen Liberaldemokraten. Andererseits hat er seinen euroskeptischen Parteikollegen versprochen, vor weitreichenden EU-Vertragsänderungen das Volk zu befragen. Schon zeichnet sich ab, dass eine solche Abstimmung zu einer über den Verbleib in der EU ausarten könnte. Doch das, sagte Cameron kürzlich mit Nachdruck, „ist nicht in unserem nationalen Interesse“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2011)

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