Ungarn: Amnesty fordert EU zum Handeln auf

Ungarn: Amnesty fordert EU zum Handeln auf
Ungarn: Amnesty fordert EU zum Handeln auf(c) REUTERS (Bernadett Szabo)
  • Drucken

Die Menschenrechtsorganisation kritisiert die neue Verfassung und das Mediengesetz Ungarns. Bisher habe die EU-Kommission nur sehr eingeschränkt reagiert.

In der Diskussion um die neue ungarische Verfassung hat die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) die EU-Kommission dringend zum Handeln aufgefordert. "Es ist Zeit, dass die EU eine Menschenrechts-Bewertung der ungarischen Verfassung vornimmt und die notwendigen Schritte unter Artikel 7 des EU-Vertrags trifft", sagte der Brüsseler AI-Direktor Nicolas Berger am Montag. Ein Verfahren nach Artikel 7 wegen Verstoßes gegen die Grundwerte der EU könnte bis zu einem Stimmrechtsentzug des Landes führen.

In einem offenen Brief an die für Justiz und digitale Medien zuständigen Kommissarinnen, Viviane Reding und Neelie Kroes, kritisiert Amnesty die bisherige "schwache Antwort" der EU-Kommission auf "ernsthafte Menschenrechts-Bedenken" in Ungarn. Bisher habe die EU-Kommission nur sehr eingeschränkt auf das Medienrecht und auf die neue Verfassung in Ungarn reagiert.

Die neue Verfassung gibt für Amnesty Anlass zur Sorge, dass Rechte zum Schutz vor Diskriminierung und auf ein faires Verfahren eingeschränkt würden. Das neue Familiengesetz, welches Familie auf der Basis von Ehen zwischen Mann und Frau definiere, könne zur Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare führen. Das Gesetz über den Verfassungsgerichtshof wiederum nähre Sorgen über den Gerichtsweg im Fall von individuellen Beschwerden.

"Mediengesetz noch einmal prüfen"

In Hinblick auf das Mediengesetz fordert Amnesty, dass die EU-Kommission noch einmal einen möglichen Verstoß gegen die in der EU-Grundrechtecharta verankerte Pressefreiheit prüft. Die Organisation verweist darauf, dass der unabhängigen oppositionellen Radiostation "Klubradio" von der nationalen Medienbehörde zu Jahresende keine neue Lizenz mehr ausgestellt wurde.

Die EU-Kommission hat Ungarn zuletzt mit einem Vertragsverletzungsverfahren gedroht. Die Entscheidung darüber soll am Dienstag fallen. Ein Dorn im Auge ist der Kommission vor allem das Notenbankgesetz, das die Unabhängigkeit der Zentralbank beschränkt.

Möglichkeiten der EU

Die EU-Kommission kann gegen einen Mitgliedsstaat ein Vertragsverletzungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof einleiten, wenn sie einen Verstoß gegen EU-Recht ortet.

Nach Artikel 7 des EU-Vertrages gibt es außerdem die Möglichkeit, dass die Staats- und Regierungschefs der EU mit Vier-Fünftel-Mehrheit eine "eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung" der Grundwerte der Union feststellen. Bei anhaltender Verletzung können letztlich als Sanktion bestimmte Rechte wie das Stimmrecht im Rat ausgesetzt werden. Zu den Grundwerten der EU gehören Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit, Achtung der Menschenwürde und Wahrung der Menschenrechte.

(Ag.)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Experte Politik Regierung Orbn
Außenpolitik

Experte: "Politik der Regierung Orbán ist irrational"

Der Politologe Peter Kreko warnt davor, dass Ungarn die Bedingungen von EU und IWF für Hilfskredite ausschlagen und in ein wirtschaftliches und verfassungsrechtliches Chaos abgleiten könnte.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.