Berlin zweifelt an Athens Reformwillen

(c) AP (Thanassis Stavrakis)
  • Drucken

Abgeordneten Krichbaum ärgert die Taktiererei griechischer Parteichefs. Starke Zweifel hegt man in Berlin insbesondere, ob das Land überhaupt „willens und fähig“ sei, die geforderten Reformen durchzuziehen.

Wien. „Wir sind noch nicht durch, was Griechenland angeht.“ Gunther Krichbaum, Vorsitzender des EU-Ausschusses im deutschen Bundestag (CDU), äußerte bei einem Wien-Besuch Zweifel an der Sinnhaftigkeit eines neuen Rettungspakets. Auch nach einem „Ja“ der Eurogruppe zu den milliardenschweren Krediten ist offenbar keinesfalls sicher, ob der deutsche Bundestag dem Hilfspaket am 27. Februar zustimmen wird.

Starke Zweifel hegt man in Berlin insbesondere, ob das Land überhaupt „willens und fähig“ sei, die geforderten Reformen durchzuziehen. „Man hält sich in kleiner Parteitaktik auf. Besonders die konservative Nea Dimokratia (ND) versucht immer noch, das Beste herauszuholen – dafür habe ich kein Verständnis“, kritisierte Krichbaum. Nur der erhöhte Druck der Geldgeber in den vergangenen Wochen habe schließlich doch noch die Zustimmung zu den Sparmaßnahmen bewirkt.

Das zweite Hilfspaket in Höhe von 130 Milliarden Euro soll dazu führen, dass sich der griechische Schuldenstand bis zum Jahr 2020 auf 120Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) reduziert. Jedoch müsse man „nüchtern zur Kenntnis nehmen“, so Krichbaum, dass sich alle bisherigen Berechnungen „als Makulatur“ erwiesen hätten. Denn selbst wenn die privaten Gläubiger einem Schuldenschnitt zustimmten, würde man in acht Jahren nach heutigem Stand immer noch bei 129Prozent stehen.

Zahlungsausfall eingepreist

Angesprochen auf eine mögliche Pleite Griechenlands zeigte sich der CDU-Abgeordnete relativ gelassen: diese sei heute weniger verheerend als noch vor zwei Jahren. „Die Anleihezinsen für andere Staaten würden sich zwar erhöhen, aber in einem begrenzbaren Ausmaß und nur kurzfristig, weil mit dem EFSF inzwischen Vorsorge betrieben wurde.“

Die Märkte hätten einen 100-prozentigen Zahlungsausfall ohnehin längst vorweggenommen. Keine der beiden Lösungen – Rettung oder Insolvenz – würde die Eurostaaten billiger kommen, weil bei einer Pleite zahlreiche Banken rekapitalisiert werden müssten.

So oder so müsse das Land jedenfalls „von der Pieke“ wieder neu aufgebaut werden. Hier sieht Krichbaum die EU-Kommission gefordert, die „jetzt in den Regiestuhl“ steigen müsse. Die Griechen müssten ihrerseits erkennen, dass das Durchsetzen von Strukturreformen in ihrem eigenen Interesse sei. „Griechenland muss Anschluss an einen Zug bekommen, der sich selbst ständig fortbewegt.“

Ein drittes Hilfspaket für das Land schließt Krichbaum übrigens aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.