Österreich drückt für Serbien die Tür zur EU auf

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Gemeinsamer Brief Wiens, Frankreichs und Italiens: Die EU-Außenminister sollen am Montag grünes Licht für einen EU-Kandidatenstatus Serbiens geben. Berlin lenkt allerdings eine überraschende Kehrtwende ein.

Belgrad/Wien. Selbst Serbiens ranghöchster Berufsoptimist schien angesichts der trostlosen Nachrichten aus Brüssel bereits die Waffen zu strecken. In Sachen der Erteilung des EU-Kandidatenstatus „kann ich kein Optimist sein“, kommentierte Staatschef Boris Tadić noch am Mittwochabend mit ernster Miene den zähen Auftakt der neunten Runde des Nachbarschaftsdialogs mit dem Kosovo.

Wenige Stunden später läutete am Donnerstagmorgen die Nachricht vom Blitzbesuch des deutschen Außenministers Guido Westerwelle in Belgrad eine überraschende Kehrtwende ein: Obwohl Serbien nicht wirklich substanziell zu der beim EU-Gipfel im Dezember geforderten Verbesserung der Beziehungen zur Ex-Provinz Kosovo beigetragen hat, dürfte der Balkanstaat nächste Woche zum Beitrittskandidat gekürt werden. Die EU-Außenminister könnten schon am kommenden Montag grünes Licht geben, heißt es aus Diplomatenkreisen. Beim Europäischen Rat soll am 1. und 2. März dann der Beschluss bestätigt werden.

Hinter den Kulissen drängte Österreich energisch auf eine Entscheidung. In einem gemeinsamen Brief mit Alain Juppé und Giulio Terzi di Sant'Agata, seinen Amtskollegen aus Frankreich und Italien, forderte Österreichs Außenminister Michael Spindelegger die Chefdiplomaten der übrigen EU-Mitgliedsländer auf, Serbien den Status eines EU-Beitrittskandidaten zu verleihen. Im Dialog zwischen Belgrad und Prishtina gebe es „entscheidenden Fortschritt“, etwa bei der gegenseitigen Anerkennung von Diplomen. Mit Eulex, der EU-Justizmission im Kosovo, und der Kosovo-Truppe Kfor habe Serbien „aktiv zusammengearbeitet“. Zudem habe es „sehr konstruktive Vorschläge“ unterbreitet, um dem Kosovo die Beteiligung an Regionalkonferenzen zu ermöglichen. Tatsächlich wäre Belgrad mit der Teilnahme des Kosovo einverstanden, solange das Namensschild mit einer Fußnote versehen ist, die auf die UN-Resolution 1244 verweist. Darin war der Kosovo noch als Bestandteil Serbiens behandelt worden.

Es ist ein rundum gutes Zeugnis, das Österreich, Frankreich und Italien der serbischen Regierung ausstellen. Publik wurde das Schreiben, das auch an die Hohe EU-Vertreterin Catherine Ashton und EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle adressiert war, erst am Donnerstag. Doch aufgesetzt hatte es ein österreichischer Diplomat schon vergangene Woche, unmittelbar nach dem Besuch von Frankreichs Außenminister Alain Juppé in Wien. Die Initiative ging von Spindelegger aus. Er wollte damit Paris aus dem Tandem mit Deutschland herauslösen.

Auch Integrationsschritt für Kosovo

Beim EU-Gipfel im Dezember hatte Frankreich in einem Abtausch mit Deutschland seine Unterstützung für einen EU-Kandidatenstatus Serbiens fallen gelassen. Damit sich die deutsche Regierung nun nicht hintergangen fühlt, reiste Jan Kickert, der Politische Direktor des Außenamts, am Dienstag nach Berlin und stellte dort den diplomatischen Vorstoß seines Chefs vor. Aus Berlin sei „weißer Rauch aufgestiegen“, hieß es am Donnerstag im Außenamt.

Eingeweiht in die Aktion war auch Robert Cooper, Ashtons wichtigster Berater. Der Brite hielt den Serben den Brief und den Kandidatenstatus in den vergangenen Tagen wie eine Karotte vor die Nase, um sie zu Konzessionen in den Verhandlungen mit den Kosovaren zu bewegen. Auch für den Kosovo hat die EU ein Zuckerl parat. Demnächst soll die Kommission eine Machbarkeitsstudie für Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen beginnen. Das wäre ein erster Integrationsschritt.

Vor allem Deutschland hatte im Dezember Serbiens EU-Kandidatenstatus blockiert und auf Fortschritte bei dem von der EU orchestrierten Dialog mit Kosovo gepocht. Am Donnerstag setzte Westerwelle in Belgrad zu einer Kehrtwende an.

Belgrad schreibt Wahlen im Kosovo aus

Doch trotz all der Rosen, die den Serben nun aus Österreich, Frankreich und Italien gestreut werden: Zu gravierenden Zugeständnissen war die angeschlagene Mitte-links-Koalition in Belgrad kurz vor den Parlamentswahlen kaum bereit: Noch immer hat Serbien selbst die bereits im letzten Juni erzielten Dialogvereinbarungen zum freien Warenverkehr nicht umgesetzt – und damit gewalttätige Protestdemonstrationen von Kosovos nationalistischer Oppositionspartei „Selbstbestimmung“ provoziert. Eine Einigung über gemeinsame Grenzkontrollen im Nordkosovo wurde unter EU-Vermittlung im Prinzip zwar erzielt, aber die Umsetzung des komplizierten Kompromisses scheint auch wegen des Widerstands der örtlichen Kosovo-Serben eher fraglich. Eine Abschaffung der serbischen Parallelstruktur in der Ex-Provinz lehnt Belgrad ohnehin weiter strikt ab: Am Donnerstag bestätigte Parlamentspräsidentin Slavica Djukić Dejanović erneut die Ausschreibung von Serbiens bevorstehenden Kommunalwahlen auch in Kosovo.

Noch zu Wochenbeginn beklagte sich die EU-Justizmission über die „unveränderte“ Beeinträchtigung ihrer Bewegungsfreiheit im Nordkosovo und die anhaltende Blockade der Arbeit des Bezirksgerichts im serbischen Norden der geteilten Stadt Mitrovica.88 Staaten haben den seit vier Jahren unabhängigen Kosovo erst anerkannt. Auch Serbien ist davon noch weit entfernt. Doch der Schein ist der EU nun offenbar wichtiger als das Sein. Die EU-Morgengabe soll der in der Wählergunst stark abgesackten Mitte-links-Regierung in Belgrad als Wahlkampfhilfe dienen – und verpflichtet die großzügigen Spender zu wenig. Mit einem Termin zum Auftakt der Beitrittsverhandlungen ist die Statusvergabe nicht verbunden. Bereits vor sieben Jahren hat das benachbarte Mazedonien den Kandidatenstatus erhalten – und schmort wegen des ungelösten Namensstreits mit Athen noch immer unverrichteter Dinge im Wartezimmer von Europas kriselndem Wohlstandsbündnis.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2012)

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