Merkels Zwänge bei der Eurorettung

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Die deutsche Kanzlerin reibt sich zunehmend zwischen Gegnern der Euro-Rettungspakete in den eigenen Reihen und dem Druck der EU-Partner auf. Merkel will beim anstehenden EU-Gipfel hart bleiben.

Berlin/Wien. Kurz vor dem anstehenden EU-Gipfel nächste Woche versucht die deutsche Bundeskanzlerin einen Kontrapunkt zu setzen. Entgegen der üblichen Praxis von vorbereitenden Treffen allein mit dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy beriet sie Donnerstagabend mit drei Vertretern kleinerer EU-Länder (Tschechien, Irland und Lettland). Am Freitag traf sie in Stralsund mit dem Luxemburger Premier Jean-Claude Juncker zusammen. Der Euro-Gruppenchef führte zuletzt den Widerstand gegen die zunehmende deutsch-französische Dominanz in der EU an.

Für Merkel gilt es, bei den europäischen Partnern wieder Boden gutzumachen. Denn in den meisten Hauptstädten wurde das Tandem Sarkozy-Merkel als Sprengsatz der Gemeinschaft gesehen. Boden gutmachen muss die CDU-Vorsitzende freilich gleichzeitig in den eigenen Reihen. Denn dort wächst der Widerstand gegen immer neue Euro-Hilfspakete.

Am Montag wird Merkel eine Regierungserklärung zum neuen Griechenland-Paket abgeben, um die eigene Partei auf Linie zu bringen. Am selben Tag stimmt der Bundestag über die weiteren 130 Milliarden Euro für Griechenland ab. Zumindest ein Dutzend Gefolgsleute der Koalition aus CDU, CSU und FDP haben ihren Widerstand angekündigt. Erstmals könnte die sogenannte „Kanzlermehrheit“ für eine Absegnung der deutschen EU-Politik nicht mehr ausreichen und Merkel auf Stimmen von SPD und Grünen angewiesen sein.

Für die Kanzlerin, die nach einigem Zögern letztlich alle Solidaritätsaktionen zur Rettung von Euroländern mitgetragen hat, wird der politische Spagat fast schon schmerzhaft. Sie wird zwischen zwei völlig gegensätzlichen Forderungen zerrissen: Während die EU-Partner eine ausreichende Mitverantwortung Deutschlands, des größten Profiteurs von Binnenmarkt und Währungsunion, einmahnen, werden in der eigenen Partei die Forderungen immer lauter, Griechenland endlich fallen zu lassen. CDU-Haushaltspolitiker Klaus-Peter Willsch sprach zuletzt von einer verantwortungslosen „Konkursverschleppung“.

Prominente CDU-Politiker wie Wolfgang Bosbach gehen schon die bisherigen Maßnahmen zu weit. Merkel wird aber von immer mehr EU-Partnern gedrängt, nun auch einer Ausweitung des neuen Euro-Rettungsschirms ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) zuzustimmen. Eine klare Mehrheit unter den Euroländern, darunter Österreich, tritt für eine möglichst hohe Brandmauer ein, um eine Ruhephase auf den Finanzmärkten zu erwirken. Zu diesem Zweck sollen die verbliebenen Mittel im auslaufenden Euro-Rettungsschirm EFSF von rund 250 Milliarden Euro in den ESM übergeführt werden. Der hätte dann statt der geplanten 500 Milliarden ein Volumen von 750 Milliarden Euro.

IWF und USA machen Druck

Selbst die Niederlande, bisher einer der engsten Verbündeten Deutschlands bei der Abwehr großer Solidaritätsaktionen, sind mittlerweile für die Ausweitung des Schirms. Merkel weiß aber, dass im eigenen Bundestag noch die Abstimmung über die Gründung des ESM ansteht und sich Widerstand schon gegen dessen bisher geplante Höhe von 500 Milliarden abzeichnet. Deutschland soll sich daran mit einer Kapitaleinlage von 22 Milliarden Euro und Garantien von 167 Milliarden Euro beteiligen. Bisher hat Berlin damit gerechnet, dass es im Gegenzug um die verbliebenen Haftungen für den EFSF entlastet wird.

Merkel will beim anstehenden EU-Gipfel zwar hart bleiben. Neben der EU-Kommission erhöhen aber der Internationale Währungsfonds und sogar die USA den Druck auf die Kanzlerin. Die US-Regierung will nur dann eine größere Beteiligung des IWF an der Eurorettung absegnen, wenn der von den Euroländern selbst organisierte Rettungsschirm im Gegenzug größer wird. IWF-Chefin Christine Lagarde hat die Beteiligung des Währungsfonds am neuen Griechenland-Paket an diese Forderung geknüpft.

Lexikon

Das zweite Griechenland-Paket soll 130 Milliarden Euro umfassen. In neun Euroländern ist dafür ein Beschluss des Parlaments notwendig. In Österreich muss der Nationalrat nicht zustimmen. Es gibt einen Grundsatzbeschluss zur Griechenland-Hilfe. Solange der Haftungsrahmen für Österreich nicht überschritten wird, ist für Folgebeschlüsse keine Abstimmung notwendig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2012)

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