Mitterlehner erfreut Wahlausgang in Frankreich und Griechenland

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ÖVP-Minister setzt sich über die Linie von Parteikollegen hinweg und fordert Kontrapunkte zum Sparkurs. „Es geht bei diesem Thema nicht um eine rechte oder linke Einstellung“, unterstreicht Mitterlehner.

Wien. „Die Wahlergebnisse in Griechenland und Frankreich waren wichtig.“ Mit dieser überraschenden Aussage ließ Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) bei einer Europamatinee anlässlich des gestrigen Europatages in der Diplomatischen Akademie aufhorchen, an der auch EU-Parlamentarier Othmar Karas (ÖVP) und Wifo-Chef Karl Aiginger teilnahmen. Mitterlehners Begründung: An einer Auseinandersetzung mit den drängenden Problemen, die sich durch die Schuldenkrise und deren Bekämpfung ergeben haben, führe nun kein Weg mehr vorbei. Und zwar insbesondere auf inhaltlicher Ebene; weil mit François Hollande in Frankreich ein Politiker das Zepter in die Hand nimmt, der sich für eine stärkere Wachstumspolitik starkmacht.

Neu Geldpolitik der EZB

Diesen Forderungen schließt sich Mitterlehner an: Schon Anfang Dezember, als Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zu Gast in Wien war, hat er die Notwendigkeit wachstumsfördernder Maßnahmen ins Treffen geführt. „Damals schüttelten hier im Publikum noch einige den Kopf“, stellt er heute fest und verweist auf den Meinungsumschwung in der EU. Lediglich neue Schulden, wie Hollande sie vorschlägt, kommen für Mitterlehner allerdings nicht infrage. Dagegen müssten vorhandene Quellen besser genützt werden – wie etwa die Europäische Investitionsbank (EIB). Mitterlehner tritt aber ebenso wie der neue französische Präsident dafür ein, dass die EZB ähnlich wie die US-Notenbank die Notenpresse in Gang setzt, um das Wachstum zu stimulieren. Eine solche Aufweichung des Euro wurde von der ÖVP, insbesondere von Finanzministerin Maria Fekter, bisher immer abgelehnt. „Es geht bei diesem Thema nicht um eine rechte oder linke Einstellung“, unterstreicht der Wirtschaftsminister. Vielmehr sei die Diskussion über das Wachstum eine Frage der Notwendigkeit.

Diese Diskussion hat in der EU freilich bereits begonnen. Wie berichtet, berief Ratspräsident Herman Van Rompuy einen Sondergipfel ein, um über Möglichkeiten der Wachstumsförderung zu sprechen. Am gestrigen Mittwoch reiste Van Rompuy nach Paris, um den künftigen Staatspräsidenten in seiner Wahlkampfzentrale zu treffen. Heute, Donnerstag, wird Hollande Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker empfangen.

„Stärkung der Delor'schen Europapolitik“

Karas hält ebenso wie Mitterlehner die Wahl des Sozialisten insgesamt nicht für einen Nachteil – im Gegenteil: Der Vizepräsident des Europaparlaments bezeichnet den Wechsel an Frankreichs Spitze als „Stärkung der Delor'schen Europapolitik“, die ja für die EU insgesamt nicht „das Schlechteste gewesen“ sei. Jedenfalls sei er froh, so Karas mit Seitenhieb auf den abgewählten Präsidenten Nicolas Sarkozy, dass nun nicht mehr die Frage der Wiedereinführung von Grenzkontrollen im Zentrum der Diskussion stehe.

Was den Wahlausgang in Griechenland angeht, waren sich die Diskutanten uneinig: Mitterlehner beurteilt die Herausforderungen, die sich dadurch ergeben, als durchaus positiv. Karas sieht dies weniger optimistisch: „Ich wäre froh gewesen, hätten die beiden großen Parteien, die für das Sparprogramm stehen, eine Mehrheit im Parlament.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2012)

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