Deutschlands Grüne drohen erneut mit Fiskalpaktveto

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Jürgen Trittin, der Fraktionschef der Grünen im deutschen Bundestag, macht ernst: Ohne rasche Umsetzung der Tobin-Tax keine Zustimmung zum Fiskalpakt, den die Kanzlerin in Brüssel federführend ausverhandelt hat.

Wien/Berlin. Jürgen Trittin ist sauer. Der Fraktionschef der Grünen im deutschen Bundestag fühlt sich von der Regierung hintergangen, weil diese die Einführung einer Finanztransaktionssteuer vergangene Woche zugesagt, dann aber einen Rückzieher gemacht hat. Dieses Vorgehen könnte der Koalition nun zum Verhängnis werden: Denn Grüne und SPD machen Fortschritte zur Einführung der Tobin-Tax zur Bedingung für ihre Zustimmung zum Fiskalpakt, den Kanzlerin Angela Merkel in Brüssel federführend ausverhandelt hat. Dafür ist im deutschen Bundestag eine Zweidrittelmehrheit nötig – die Regierung ist also auf die Stimmen der Opposition angewiesen.

Der innenpolitische Streit um die seit Monaten heiß diskutierte EU-weite Finanztransaktionssteuer geht in dieser Woche somit in eine entscheidende Phase. Die deutsche Opposition schäumt, seitdem Schäuble am Wochenende Äußerungen von Kanzleramtschef Ronald Poffala bestätigt hat, dass sich die Einführung der Steuer in dieser Legislaturperiode – also vor der Bundestagswahl 2013 – nicht mehr realisieren lasse. Noch am Donnerstag vergangener Woche haben sich Regierung und Opposition auf Arbeitsebene darauf verständigt, die Finanzmarktsteuer auf europäischer Ebene auch gegen den Widerstand einzelner EU-Staaten wie Großbritannien durchzusetzen. Am Mittwoch kommen die Partei- und Fraktionschefs bei Merkel ein weiteres Mal zusammen, um möglichst rasch eine Einigung zu erzielen.

„Zeitplan verschiebt sich“

Im Zusammenhang damit droht Trittin nun offen damit, dass seine Partei die Einwilligung zum Fiskalpakt vorerst verweigern werde. „Wenn Union und FDP die Einigung wieder infrage stellen, verschiebt sich eben der Zeitplan für die Zustimmung zum Fiskalpakt“, kündigte der Grüne im „Handelsblatt“ an. Und legte wenig später im öffentlichen Fernsehen nach: Die Bundesregierung lasse es in Europa an Initiative fehlen, die Finanzsteuer zumindest in jenen neun Ländern, die sich dafür bereit erklären, einzuführen, moniert der Grüne. Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel nannte das Verhalten der Regierung das „Gegenteil von vertrauenswürdig“.

Die Koalition ist indes um Kalmierung bemüht, hofft sie doch auf eine Billigung des Fiskalpakts noch vor dem Sommer: Schäuble verwies auf einen Grundsatzbeschluss der Ministerrunde zur Einführung der Finanztransaktionssteuer vom Sommer 2010, den das Kabinett „noch einmal beschließen“ könne. Allerdings warnte er die Opposition vor „taktischen Spielchen“. Merkel versprach, sich bei einem Treffen mit Frankreichs Präsident François Hollande, Italiens Ministerpräsident Mario Monti und dem spanischen Premier Mariano Rajoy am 22. Juni für die Einführung der Finanztransaktionssteuer starkzumachen.

Österreich: ESM-Ja wird möglich

Das innerdeutsche Gerangel um die Fiskalpaktzustimmung könnte indes auch der österreichischen Bundesregierung zugute kommen: Hierzulande ist für die Ratifizierung des dauerhaften Rettungsschirms ESM eine Zweidrittelmehrheit nötig, die sich die Grünen mit „glaubhaften Schritten für eine Finanztransaktionssteuer“ ähnlich teuer abkaufen lassen. Wenn Berlin die Steuer nun auf Druck der Opposition forciert, stehen die Chancen für eine baldige Einführung nicht schlecht – womit auch die Zustimmung der Grünen zum ESM gesichert wäre.

Auf einen Blick

Im deutschen Bundestag ist für die Ratifizierung des Fiskalpakts für mehr Budgetdisziplin eine Zweidrittelmehrheit nötig. Grüne und SPD wollen nur zustimmen, wenn die Finanztransaktionssteuer rascher realisiert wird, als von der Regierung angekündigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2012)

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