Bei Gas und Strom hört sich die Einheit auf

Energiepolitik. Die Bekenntnisse zum gemeinsamen Vorgehen waren nur von kurzer Dauer. Kein Staat will in diesem Bereich nationale Zuständigkeiten an das ungeliebte Brüssel abgeben.

Brüssel. Der Auftrag an die EU-Kommission, ein Strategiepapier zur europäischen Energiepolitik zu erstellen, ertönte noch aus 25 Kehlen. Seit der Präsentation des Grünbuchs vor wenigen Wochen allerdings haben die EU-Staaten ihr theoretisches Bekenntnis zur Gemeinsamkeit aber schrittweise zurückgezogen.

Beim EU-Frühjahrsgipfel sind nur noch wenige Punkte außer Streit. Aktuelle Konflikte über grenzüberschreitende Übernahmen von Energieversorgern, aber auch grundsätzliche Diskrepanzen überschatteten die Energiedebatte, die Donnerstagabend begann. Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel eröffnete die Diskussion auf Wunsch von Ratspräsident Wolfgang Schüssel mit einem Impulsreferat. Darin erteilte sie jeglicher Kompetenzverschiebung nach Brüssel eine klare Absage. Es bedürfe keiner neuen Zuständigkeiten, sagte Merkel.

Die Idee, einen europäischen Energie-Regulator zu installieren, war allerdings schon zuvor begraben worden. Zu heftig hatten einige EU-Staaten gegen eine unabhängige Instanz opponiert. Energiepolitik gilt als Teil der nationalen Sicherheitspolitik. Hier will kaum ein Staat Zuständigkeiten ausgerechnet ans ungeliebte Brüssel abgeben.

Lediglich Belgiens Premier Guy Verhofstadt zeigte sich für den Vorschlag der EU-Kommission offen, einen europäischen Regulierer für Energienetze einzusetzen. Dieser sollte die Arbeit der nationalen Marktaufseher koordinieren, sagte Verhofstadt.

Bei der Öffnung der Energiemärkte laufen die Trennlinien quer durch den Kontinent. Frankreich und Spanien haben mit der versuchten Abschottung ihrer Märkte für großen Unmut und eine hitzige Debatte über die Rückkehr des Protektionismus gesorgt. Vor allem Italien, dessen Stromkonzern Enel vergeblich seine Fühler nach der französischen Suez-Gruppe ausgestreckt hatte, tobte.

Merkel forderte von ihren EU-Kollegen indessen den Mut ein, künftig in der Champions League mitzuspielen. "Der Binnenmarkt kann nur dann funktionieren, wenn wir den Strom frei durchleiten und uns mit europäischen Champions abfinden und nicht einfach nur national denken."

Der deutsche EU-Kommissar Günter Verheugen hatte Frankreich und Spanien zuvor Konsequenzen für deren protektionistische Haltung angedroht. "Die Möglichkeiten, die die EU-Kommission hat, reichen aus, um eine Öffnung zu erzwingen."

Dabei ist Deutschland selbst bei anderen Punkten nicht so großzügig. So kann sich die Berliner Regierung mit dem geplanten gemeinsamen Zugriff auf gemeinsame Gasreserven gar nicht anfreunden. Nur in Notfällen sollen andere EU-Staaten die Reserven anzapfen dürfen, meint Berlin, das seine Bevorratung nicht mit Ländern, die weniger vorausschauend planen, teilen will. Auch die Niederlande wollen ihre Vorratskammer nicht plündern lassen.

Unterschiede gibt es auch beim künftigen Auftreten gegenüber Russland, dem wichtigsten Energielieferanten Europas. Polen würde sich lieber heute als morgen aus der Energieabhängigkeit von Moskau befreien, fand aber für die Idee eines Beistandspakts für Krisensituationen keine Unterstützung.

Einige EU-Staaten, darunter Österreich, wollen Russland nicht provozieren. Andere, vor allem die osteuropäischen EU-Staaten, plädieren für mehr Härte im Umgang mit dem unberechenbaren Partner. Die negativen Erfahrungen mit Versorgungsengpässe im Gefolge des russisch-ukrainischen Gasstreits Anfang des Jahres stecken ihnen noch in den Knochen.

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