Karas: "Habe sehr viele Freunde bei den Neos"

Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Spitzenkandidat der Volkspartei bei der Europawahl, Othmar Karas, vergleicht Berlusconi mit Strache und hält die Neos für ein Produkt aus ÖVP-Fehlern. Für eine demokratischere EU will er die Minister entmachten.

Der frühere italienische Regierungschef Berlusconi meinte jüngst bei einer Wahlveranstaltung, für die Deutschen hätten Konzentrationslager nie existiert. Sollte die Forza Italia aus der Europäischen Volkspartei ausgeschlossen werden?

Othmar Karas: Die Entgleisungen Berlusconis sind skandalös und inakzeptabel, sie verletzen die gemeinsamen Werte der EVP. Es gibt jetzt nur zwei Möglichkeiten: Er entschuldigt sich sofort, oder alle Mandatare der Forza Italia, die auf europäischer Ebene tätig sind, distanzieren sich von diesen Äußerungen. Die Chance möchte ich ihnen geben.

Und wenn das nicht geschieht?

Dann muss man in der EVP deutlich darüber diskutieren, was die Konsequenzen sind.

In italienischen Medien kursieren Gerüchte, dass es in der deutschen CDU bereits Forderungen nach einem Ausschluss der Forza Italia gibt – allerdings erst nach der Wahl, weil man ja auf die Stimmen der Partei bei der Kommissionswahl angewiesen ist ...

Ein Ausschluss der Forza Italia ist allein aufgrund der Länge des Verfahrens vor der Wahl nicht möglich. Klar ist aber: So wie Berlusconi mit Feindbildern gegen gewisse Länder operiert, gehört das in die Kategorie Strache.

Sie sehen also Parallelen zwischen Berlusconi und Strache?

Beide spielen mit Vorurteilen und Schuldzuweisungen, das ist nicht mein politischer Stil.

Fällt der ungarische Fidesz – ebenfalls Mitglied der EVP – auch in diese Kategorie?

Ich lege bei allen politischen Parteien gleiche Maßstäbe an.

Aber Konsequenzen gegen Viktor Orbán und seine Partei gab es bisher nicht.

Es hat mehrere Konsequenzen für Ungarn gegeben. Nationale Beschlüsse des Parlaments mit der Mehrheit des Fidesz, die im Widerspruch zum EU-Recht stehen, mussten aufgehoben werden. Orbán hat auch nicht mehr als Vizepräsident der EVP kandidiert.

Es hat große Aufregung über die Verwendung eines Bono-Zitats auf einem Ihrer Wahlplakate gegeben. Hat sich der U2-Sänger persönlich bei Ihnen beschwert, oder war das sein Management?

Das Zitat stammt vom Parteikongress der EVP in Dublin, und ich habe es unter Angabe des Autors zitiert. Bono hat sich bei mir nie gemeldet, aber sein Management hat sich bei der EVP erkundigt, was es mit dem Plakat auf sich hat. Ich habe ihnen nur mitgeteilt, dass es ohnehin wieder abgehängt wird, und damit war die Sache erledigt.

Sie werden doch nicht leugnen, dass das ein Versuch war, einen Rockstar für den eigenen Wahlkampf zu instrumentalisieren?

Nicht ich habe Bono für einen Wahlkampf instrumentalisiert, sondern Bono war bereit, am Kongress der EVP eine Rede zu halten. Das Plakat ist nicht mehr Wahlkampf, als dieser Auftritt es ohnehin war.

Warum werben Sie als ÖVP-Spitzenkandidat eigentlich ohne das Parteilogo der ÖVP?

Weil ich auch Vizepräsident des EU-Parlaments bin und mich als solcher nicht auf eine Partei reduzieren lasse. Ich bin Kandidat aller proeuropäischen Kräfte.

Warum sagen Sie nicht einfach, dass das Image der ÖVP derzeit so schlecht ist, dass das Parteilogo nicht förderlich wäre?

Diese Wahl ist eine Europawahl, und im EU-Parlament sind Personen stärker als Parteien. Sie schaffen Kompromisse, nicht die Parteien.

Wäre es also auch besser gewesen, wenn Spindelegger im Nationalratswahlkampf ohne ÖVP-Logo geworben hätte?

Das ist seine Entscheidung. Mein Plakat ist jedenfalls ehrlicher und entspricht meinem politischen Selbstverständnis viel mehr als die Plakate der Mitbewerber, wo ein Parteiobmann abgebildet ist, der gar nicht kandidiert.

Ist das die Zukunft der Politik, dass sich Personen von ihren Parteien emanzipieren?

Ich wünsche mir ein politisches Klima, in dem Personen stärker sind als Institutionen. Das Misstrauen in die EU ist auch dadurch begründet, dass es leider zu viele Meinungsbildner gibt, die sich hinter Partei, Fraktion oder Koalitionspartner verstecken. Wir werden nur an Vertrauen zurückgewinnen, wenn wir zu unserer Verantwortung stehen und nicht Schuld zuweisen.

Müssten Sie das nicht in der ÖVP vorbringen?

Das tue ich seit Jahren.

Aber anscheinend hat es nicht viel genutzt.

Es hat sogar sehr viel genutzt, weil ich zum ersten Mal Spitzenkandidat der ÖVP bin.

Wie geht es der ÖVP eigentlich?

Ich habe jetzt nur einen Fokus, und der lautet EU-Wahl. Der Zuspruch aus der Partei ist gut, und die Mobilisierungskraft steigt.

Aber der Zuspruch für die Partei wird weniger. Mit den Neos ist der ÖVP eine neue Konkurrenz erwachsen.

Die Neos sind natürlich auch ein Produkt von Fehlern der ÖVP. Aber ich habe vor überhaupt niemandem Angst. Und außerdem habe ich sehr viele Freunde bei den Neos.

Tatsächlich? Wen denn?

Wenn ich alle aufzähle, werden wir nicht mehr fertig. Einige waren sogar Praktikanten bei mir.

Sie könnten uns drei Ihrer Neos-Freunde nennen, dann wären wir schon zufrieden.

Ich will jetzt keine Namen nennen. Aber ich bin überzeugt, dass es viele gibt, die bei der Nationalratswahl Neos gewählt haben – und die bei der Europawahl vielleicht nicht ÖVP ankreuzen, aber Karas hinschreiben, weil sie mir vertrauen.

Was hat die ÖVP aus Ihrer Sicht falsch gemacht?

Ich werde in diesem Wahlkampf weder zu innerparteilichen Entwicklungen Stellung nehmen, noch zu innenpolitischen Themen, die keinen Europabezug haben. Ich habe mich bereit erklärt, den Spitzenkandidaten zu machen, und leiste damit einen Beitrag zur Stärkung des europapolitischen Profils der Volkspartei – und zu einem anderen politischen Stil.

Was sagen denn die Regierungsmitglieder der ÖVP zu Ihrem Vorschlag, den Rat der EU durch einen direkt gewählten Senat zu ersetzen? Das würde die Kompetenzen österreichischer Minister in Brüssel beschneiden.

Im Gegensatz zu anderen vergleichbaren Länderkammern, Stichwort USA, ist die Länderkammer als Gesetzgeber in der EU nicht direkt demokratisch gewählt. Sie setzt sich automatisch aus den Regierungsmitgliedern der Mitgliedstaaten zusammen. Ich wäre dafür, dass man das langfristig ändert.

Und da haben Sie die Unterstützung Ihrer Parteifreunde?

Wir haben noch nicht darüber gesprochen. Aber ob das jemandem passt oder nicht, steht hier nicht zur Debatte. Ich habe einen Vorschlag gemacht, wie die EU demokratischer werden könnte. Ich möchte die Bürgerbeteiligung stärken. Und die Direktwahl der Länderkammer wäre eine Möglichkeit dafür.

Apropos Demokratie und Glaubwürdigkeit: Wenn die Sozialdemokraten als stärkste Partei aus den Wahlen hervorgehen ...

...dann wird Martin Schulz Kommissionspräsident.

Können Sie ausschließen, dass sich die Volkspartei in diesem Fall andere Mehrheiten sucht, um Jean-Claude Juncker doch noch durchzubringen?

Als Demokrat, ja. Nachdem sich sowohl die Sozialdemokraten als auch wir auf diese Vorgangsweise verständigt haben, gehe ich davon aus, dass man auch so handelt: Derjenige, der aus der stärksten Parteienfamilie kommt, soll Kommissionspräsident werden. Alles andere wäre unglaubwürdig.

Othmar Karas

Geboren am 24. 12. 1957 in Ybbs an der Donau. Ex-JVP-Chef, Nationalratsabgeordneter, seit 1999 im EU-Parlament, seit 2012 dessen Vizepräsident. Karas ist verheiratet mit der Tochter von Ex-Bundespräsident Kurt Waldheim und hat einen Sohn.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2014)

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