Europawahl: „Israelis bleiben ja doch die Bösen“

Martin Schulz
Martin Schulz(c) imago/David Vaaknin (imago stock&people)
  • Drucken

Die konservative Regierung in Israel fühlt sich von der EU ungerecht behandelt. Die linke Opposition dagegen hofft bei ihren Friedensbemühungen auf europäische Hilfe.

Jerusalem. „Die Israelis haben es aufgegeben, gute Nachrichten aus Europa zu erwarten.“ So fasst Schmuel Sandler von der religiös-zionistischen Bar-Ilan-Universität die allgemein phlegmatische Einstellung für die in knapp zwei Wochen bevorstehende EU-Wahl in Israel zusammen. Ganz egal, wer gewinnt, „wir sind doch immer die Bösen“.

Die Medien im Land berichten meist nur dann über Europa, wenn Kritik aus Brüssel kommt oder wenn es um Forderungen der extremen Rechten geht; etwa des niederländischen Führers der Freiheitspartei, Geert Wilders, oder der Front-National-Chefin Marine Le Pen, die bei dieser Wahl den ersten Platz holen könnte.

Im linken Friedenslager allerdings konzentriert sich umgekehrt die letzte Hoffnung auf eine Rettung vor der eigenen, friedensunwilligen Regierung immer stärker auf Europa. Nach der Abfuhr, die Israel und die Palästinenser US-Außenminister John Kerry vor wenigen Wochen verpassten, rechnet derzeit niemand mehr mit amerikanischem Engagement im nahöstlichen Konflikt. „Wo sind die Antisemiten, wenn man sie braucht“, fragt der frühere Meretz-Chef Jossi Sarid mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Als der EU-Parlamentspräsident und Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, Martin Schulz, vor der Knesset einen Eklat auslöste, weil er mehr Rechte für die Palästinenser forderte, formierten sich die israelischen Fronten einmal mehr. Die Rechten zürnten, und von links kam Applaus

Freude über Ashton-Abschied

Viel zu oft und immer ungerechtermaßen fühlt sich Israels konservative Regierung insbesondere von der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton gerügt. „Während die Welt mit der Krise in der Ukraine ringt und Unschuldige in Syrien abgeschlachtet werden, erkennt Ashton die wahre Gefahr für den Weltfrieden in Israels Aktionen gegen die Palästinenser“, höhnte Außenminister Avigdor Lieberman erst kürzlich. Die EU-Politikerin hatte die von Israel angekündigte weitere Enteignungen palästinensischer Gebiete im Westjordanland kritisiert.

Dass die Amtszeit der EU-Außenbeauftragten mit der bevorstehenden Wahl endet, freut auch Gerald Steinberg, ebenfalls Professor an der Bar-Ilan-Universität. „Wenn Ashton abtritt, werden sich die Beziehungen wieder entspannen“, hofft Steinberg, Gründer des „NGO Monitors“, der vor allem israelkritische Nichtregierungsorganisationen und ihre Financiers in Europa und dem Rest der Welt unter die Lupe nimmt. Der Experte für internationale Beziehungen baut darauf, dass die Europäische Union die Finanzierung der Palästinensischen Autonomiebehörde und „propalästinensischer NGOs überdenkt“. Das Aufkommen rechtsradikaler Parteien in Europa beunruhigt ihn hingegen nur bedingt. „Auch das Zentrum legt zu.“

Europa müsse endlich aufwachen, findet sein Kollege Sandler, und merken „dass das Problem des radikalen Islam nicht nur unseres ist“. Das Argument, man könne aufgrund der europäischen Vergangenheit nichts gegen die Muslime unternehmen, empfindet er als Vorwurf. „Also haben wieder wir Juden Schuld.“

Europa spielt wieder eine Rolle

Rechts klebt fest am Monopol des Opfers, links mahnt und fleht – so sieht es Barak Ravid, politischer Korrespondent der liberalen „Haaretz“. Der schwerfällige Körper der europäischen Nationen müsse sich nun endlich in Bewegung setzen. Nicht auf Zuckerbrot, sondern auf die Peitsche reagiere die Regierung, meint Ravid. Er sieht in der aktuellen Situation auch eine Herausforderung für die Europäer: „Seit 20 Jahren spielt Europa zum ersten Mal eine Rolle.“

>> Mehr zur EU-Wahl

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.