Grünes Gerangel um die Mandate im EU-Parlament

Madeleine Petrovic
Madeleine Petrovic(c) APA/Jae
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Ex-Parteichefin Madeleine Petrovic will Michel Reimon vom zweiten Listenplatz verdrängen. Die Basis fühlt sich provoziert.

St. Pölten/Wien. „Meine Vorzugsstimme kriegt Michel Reimon“. „Ich wähl' Michel.“ „Da gibts eine, der sollt man eher weniger Vorzugsstimmen zukommen lassen.“ Es waren zu viele solcher Empfehlungen, um noch von Zufall ausgehen zu können: Von Peter Pilz abwärts bekundeten am Montag binnen weniger Stunden etliche Grün-Sympathisanten im Internet ihre Unterstützung für den zweitgereihten Kandidaten auf der EU-Wahlliste, den Publizisten Michel Reimon.

Unterstützung, die der außerhalb von Twitter weitgehend unbekannte Burgenländer dringend nötig hat – macht ihm doch eine prominente Parteifreundin Konkurrenz: Madeleine Petrovic, ehemals Bundessprecherin und nunmehr Chefin der niederösterreichischen Grünen, will über einen Vorzugsstimmenwahlkampf an ein EU-Mandat kommen.

Petrovic hatte sich ursprünglich auch für den zweiten Listenplatz hinter Ulrike Lunacek beworben, unterlag Reimon aber bei den internen Vorwahlen: 66,7 Prozent der Delegierten bevorzugten den 42-Jährigen, der den linken Parteiflügel repräsentiert, gegenüber der pragmatischen Juristin Petrovic, die nun an fünfter Stelle steht.

Bleibt es beim gegenwärtigen Mandatsstand, würden für die Grünen Lunacek und Reimon nach Brüssel gehen. Diese Reihung kann der Wähler jedoch durch Vorzugsstimmen „korrigieren“: Bei der EU-Wahl am 25. Mai werden Kandidaten vorgereiht, die mehr als fünf Prozent der Parteistimmen bekommen. 2009 erhielten die Grünen bei einem Ergebnis von 9,9 Prozent 284.505 Stimmen – bliebe es dabei, würde ein Kandidat also mit rund 14.200 Vorzugsstimmen auf Platz eins vorrücken (nehmen mehrere die Hürde, zählt die absolute Zahl der Vorzugsstimmen).

Die niederösterreichischen Grünen sind optimistisch: Bei der Landtagswahl 2013 hätte Petrovic, die ihren Vorsitz im Landtagsklub Anfang des Jahres an Helga Krismer abgegeben hat, 19.620 Vorzugsstimmen erhalten, sagt Landesgeschäftsführer Hikmet Arslan. Also weit mehr, als sie nun braucht. Dagegen spricht allerdings, dass die Beteiligung bei der EU-Wahl (2009 waren es 46 Prozent) viel niedriger sein dürfte als bei der Landtagswahl (70,9 Prozent).

Deswegen hilft die Landespartei nach: Um 185.000 Euro führt sie einen auf die 57-Jährige zugeschnittenen Wahlkampf. Dass hier mit Landesgeld ein „Fehlentscheid“ der grünen Basis korrigiert werden solle, will Arslan nicht gelten lassen: Es handle es sich um Geld, „das wir sowieso für den EU-Wahlkampf ausgegeben hätten“. Und „unsere größte Basis sind die Wähler“.

Für Reimon ist das gleich mehrfach unangenehm: Einerseits, weil die burgenländische Landesorganisation finanziell nicht mit der niederösterreichischen mithalten kann. Andererseits, weil Petrovic in der Tierschutz- und Bürgerinitiativen-Szene über ein Netzwerk verfügt, das sie jetzt für ihren Wahlkampf aktivieren will.

Keine Freunde hat sich Petrovic auch in der Wiener Landespartei gemacht, die mit Monika Vana eine Kandidatin auf dem dritten Listenplatz hat. Hier heißt es, die Niederösterreicher hätten durch das Anbringen von Plakaten an Pendlerbahnhöfen und -einfahrtsstraßen gegen eine Art „Nichtangriffspakt“ verstoßen. In St. Pölten will man davon nichts wissen.

Parteispitze kalmiert

Der Bundesparteispitze rund um Eva Glawischnig kommt der Konkurrenzkampf nicht ungelegen, zumal in Zeiten wachsender Konkurrenz (Stichwort Neos). Er finde es gut, wenn alle Kandidaten um Vorzugsstimmen werben, sagte Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner zur „Presse“. Das sei – im Hinblick auf das Gesamtergebnis – das Beste, was der Partei passieren könne.

Eine Strategie dahinter gibt es allerdings nicht, das Ganze ist der Parteiführung mehr oder weniger passiert. Ähnliche Erfahrungen hat die ÖVP vor fünf Jahren gemacht, als sich Othmar Karas nicht damit abfinden wollte, dass ihm Ernst Strasser als Spitzenkandidat vorgesetzt wurde, und deshalb seine eigene Kampagne aufzog. Erfolgreich, wie man weiß. Am Ende profitierte die gesamte Partei von diesem Duell (die ÖVP verdrängte die SPÖ von Platz eins).

Dass die niederösterreichischen Grünen durch ihre Petrovic-Kampagne intern in Ungnade gefallen seien, will Wallner nicht bestätigen. Alle Kandidaten hätten ihre Anhänger, Reimon genauso wie Petrovic, das sei etwas ganz Normales in einer Partei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2014)

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