Der frühere Luxemburger Regierungschef ist das Gesicht der Krisenintervention in der EU. Nun will er seiner Karriere die Krone aufsetzen.
Wien/Brüssel. Was andere über ihn denken, ist Jean-Claude Juncker egal. Der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP) verstellt sich nicht, um nach Wählerstimmen zu fischen; und so stand er auch am vergangenen Dienstagabend mit grimmigem Gesichtsausdruck in der ARD-Wahlarena und antwortete auf die Fragen des Publikums mit dem ihm eigenen, trockenen Humor. Mancher Zuschauer legte Juncker dieses Verhalten als Arroganz aus, als Zeichen, dass der 59-Jährige genug vom Wahlkampf und den ewig gleichen Fragen habe, die einen EU-Profi wie ihn nur langweilen.
Tatsächlich aber gehörten große Emotionen noch nie zur politischen Figur Junckers. Stattdessen steht er wie kein anderer Entscheidungsträger auf der Brüsseler Bühne für zwei Eigenschaften, die besonders während der Krisenbekämpfung vonnöten waren: Konsensbildung und Stabilität. Acht Jahre lang leitete Juncker die Geschicke der Euro-Gruppe in der bis dahin schwersten Zeit seit Bestehen der gemeinsamen Währung und musste die Interessen der sparfreudigen Nordeuropäer und der krisengeschüttelten Südeuropäer untereinander abwägen.
Kein Alkoholverbot
Dem Ernst der Lage zum Trotz ging es bei den Sitzungen lustig zu, erzählt man sich in Brüssel. So musste sich niemand an das strikte Alkohol- und Rauchverbot halten – ein Regelbruch, der auch Juncker selbst zugutekam: Ihm wird nachgesagt, manchmal gern einen Schluck über den Durst zu trinken.
Den Sparkurs in Europa will Juncker fortsetzen – eine Prämisse, die ihn von seinem Kontrahenten Schulz unterscheidet. In vielen anderen Fragen gibt sich der Christdemokrat aber eher sozialdemokratisch: So plädiert Juncker etwa für einen EU-weiten Mindestlohn.
Diese Prägung manifestierte sich früh. Als Sohn eines Stahlarbeiters wuchs der 1954 in Redingen Geborene in bescheidenen Verhältnissen auf. Schon bald zog es ihn ins Ausland; das Jurastudium absolvierte er in Straßburg. Auch seinen politischen Werdegang startete er sehr früh. Ab 1989 war Juncker Finanzminister, von 1995 bis 2013 schließlich Regierungschef in Luxemburg. Im vergangenen Jahr stolperte er über eine Geheimdienstaffäre und wurde abgewählt. Nun will der fließend Deutsch, Englisch, Niederländisch und Französisch sprechende Juncker seine Karriere mit dem wichtigsten Amt krönen, das die Union zu vergeben hat, und im kommenden Herbst als Präsident in die Kommission einziehen.