Deutschland: Als ob Merkel zur Wahl stünde

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Die CDU setzt voll auf die Kanzlerin statt auf Juncker – und zittert vor SPD-Groll und AfD-Erfolg.

Wie heißt der Spitzenkandidat der europäischen Volksparteien? Nur sieben Prozent der Deutschen konnten ihn zwei Wochen vor der EU-Wahl richtig benennen. Kein Wunder: Von den Plakaten der CDU lächelt nicht Jean-Claude Juncker, sondern Angela Merkel. Die Kanzlerin steht zwar nicht zur Wahl, dominiert aber den Wahlkampf. In ihrem Schatten ist auch David McAllister leicht zu übersehen. Eigentlich sollte der abgewählte Ministerpräsident von Niedersachsen als CDU-Spitzenkandidat eine neue Chance bekommen. Aber auf den Marktplätzen darf er nur ein paar Minuten reden, bevor Merkel das Wort ergreift.

„Ein Versuch, die Leute für dumm zu verkaufen“, schimpft Martin Schulz. Ihn kennen die Deutschen mittlerweile, er ist der Kandidat der Herzen: 39 Prozent wünschen sich den SPD-Mann aus der Heimat als Kommissionspräsidenten, nur 22 Prozent seinen Luxemburger Konkurrenten. Allein: Seiner Partei hilft das wenig. Die SPD steckt in den Umfragen bei 27 Prozent fest, kaum mehr als bei der Bundestagswahl. Die Union dürfte leicht verlieren, weil manche konservative Wähler die Eurokritiker der AfD als „Alternative für Deutschland“ sehen. Dass eine zunehmend rechtspopulistisch agierende Protestpartei bis zu acht Prozent schaffen könnte, sorgt für Unruhe. Die getrennt marschierende CSU gibt sich deshalb selbst immer EU-kritischer. CDU und SPD aber rücken gegen den gemeinsamen Gegner großkoalitionär zusammen und schweigen ihn tot, was dem Wahlkampf jeden Stachel nimmt.

Nach der Wahl die Krise

Die Harmonie könnte nach dem Sonntag einer Koalitionskrise weichen. Dann nämlich, wenn die Sozialisten knapp gewinnen und sich Merkel weigert, Schulz zum Kommissionspräsidenten zu küren. Fazit: So lau der Wahlkampf wirkt, so spannend werden die Folgen der Wahl. Die Beteiligung dürfte über den 43 Prozent von 2009 liegen. Damals fanden in sechs Bundesländern parallele Kommunalwahlen statt, diesmal sind es zehn. (gau)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2014)

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