Die linksoppositionelle Syriza stilisiert die Wahl zur Abrechnung mit der Regierungskoalition.
Noch nie wurden in Griechenland EU-Wahlen so wichtig genommen: Eine wahre Flut von Wahlwerbungen prasselt auf die Stimmbürger nieder, alle Groß- und Kleinparteien, alle Kandidaten kommen zu Wort. Ministerpräsident Antonis Samaras von den Konservativen und Alexis Tsipras, Chef der Linksopposition von Syriza, halten Großkundgebungen ab, als ginge es um die Parlamentswahlen.
Fast scheint es, als wäre den Griechen mit dem Einsetzen der Schuldenkrise und dem direkten Eingriff der Europäischen Union in Budget- und andere hoheitliche Belange schlagartig klar geworden, wie wichtig die Union für ihr Leben geworden ist. Dazu kommt, dass Alexis Tsipras, der Kandidat der europäischen Linken für die Präsidentschaft der EU-Kommission, die Wahl zu einer „Volksabstimmung“ über die Politik der Koalitionsregierung aus Konservativen und Sozialisten, aber auch der Europäischen Union insgesamt gemacht hat. Sein Slogan lautet folgerichtig: „Am 25. wählen wir, am 26. verjagen wir sie.“ Syriza stellt die sozialen Auswirkungen der Krise in den Vordergrund, Antonis Samaras kontert mit der beginnenden wirtschaftlichen Stabilisierung. Ein Sieg der Linken wäre nach seiner Definition ein „Unfall“ auf dem Weg zurück zum Wachstum.
Doch was von der EU-Wahlkampagne 2014 haften bleibt, ist vor allem ein unsäglicher Kurzspot der rechtsextremen „Goldenen Morgenröte“: Sie zeigt Parteiführer Nikos Michaloliakos, der die Wähler mit gewohnt überschnappender Stimme dazu aufruft, die „Reihen“ seiner Partei zu „schließen“, um ein „verfaultes, sündiges Regime“ zu Fall zu bringen.
Parteiführer in U-Haft
Michaloliakos sitzt zurzeit in Untersuchungshaft und wartet auf seinen Prozess wegen Bildung einer kriminellen Organisation – die Partei selbst wurde nicht verboten. Bei diesen Wahlen geht es also um mehr als um die Krise – es geht um die Widerstandskraft der Demokratie in Zeiten der Krise. (gon)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2014)