EU-Wahl: Den Grünen droht ein Wahldebakel

Lunacek
Lunacek(c) Die Presse (FABRY Clemens)
  • Drucken

Anfang des Jahres setzten die Grünen auf eine Neupositionierung, doch die Demontage von Voggenhuber stürzt die Partei in eine Krise. Jetzt wirbt die Volkspartei verstärkt um die wachsende Gruppe grüner Dissidenten.

WIEN. Das ging nach hinten los: Anfang des Jahres setzten die Grünen auf eine Neupositionierung für die anstehenden Europawahlen. Johannes Voggenhuber, das langjährige Aushängeschild in der grünen Europapolitik, wurde demontiert. Als Spitzenkandidatin wurde Ulrike Lunacek installiert. Mit ihr sollten nicht nur traditionelle Grün-Wähler, sondern auch Jungwähler angesprochen werden, die mit Organisationen der Zivilgesellschaft, wie etwa Attac, sympathisieren. Doch nun zeichnet sich ein Absturz bei den Wahlen am 7. Juni ab.

Laut einer jüngsten Umfrage des Linzer Market-Instituts im Auftrag der ORF-Sendung „Eco“ kommen die Grünen derzeit gerade noch auf acht Prozent der Stimmen. Sie würden damit mehr als ein Drittel gegenüber den EU-Wahlen 2004 einbüßen. Damals kamen sie mit Voggenhuber immerhin auf 13Prozent und zwei Mandate. Diesmal ist gerade noch ein Mandat in Reichweite.

Market-Chef Werner Beutelmeyer sieht zwar den Konflikt um Voggenhuber als einen der Gründe für den Absturz. Doch gäbe es auch andere. „Die Grünen schwächeln schon seit gut einem halben Jahr“, so der Meinungsforscher. Der Umbau der Parteispitze von Van der Bellen zu Eva Glawischnig habe bei den bisherigen Wählerschichten Unsicherheiten ausgelöst. Dazu komme, dass die Grünen gerade in der Wirtschaftskrise mit Van der Bellens Abgang an Wirtschaftskompetenz eingebüßt hätten.

Nachdem nun Voggenhuber in einem „Presse“-Interview eine Wahlempfehlung für seine bisherige Partei abgelehnt hat, sieht allen voran die ÖVP Chancen, einen Teil der bisherigen Grün-Stimmen einzufangen. Generalsekretär Fritz Kaltenegger: „Ja, wir hoffen auf Zuwachs.“ Die ÖVP wird deshalb verstärkt grüne Themen in den Vordergrund rücken. Als Beispiele nennt Kaltenegger die Forderungen nach alternativen, erneuerbaren Energieträgern, die Antiatompolitik und den Kampf gegen gentechnisch veränderte Pflanzen. Am liebsten hätte man gleich auch Voggenhuber mit ihm Boot: „Wenn er Interesse hätte...“, signalisiert Kaltenegger, wären die Türen offen. „Aber Voggenhuber ist ja nach wie vor Mitglied der Grünen.“

Ob angesichts der aktuellen Probleme der Grünen die eigene Kandidatenwahl der ÖVP nicht vielleicht doch die falsche Strategie war, verneint Kaltenegger. Für bürgerliche Grüne sei der Weg von Voggenhuber zu Ernst Strasser nicht zu weit.

Anders sieht das der Meinungsforscher Beutelmeyer. „Strasser punktet zwar durch seine Bekanntheit, er polarisiert aber auch.“ Aus ÖVP-Kreisen gibt es dazu ebenfalls skeptische Stimmen. „Wir hätten mit Othmar Karas gerade die frustrierten Grün-Wähler weit besser an uns binden können.“ Strasser sei allein wegen seiner als Innenminister betriebenen restriktiven Ausländerpolitik für viele Voggenhuber-Wähler inakzeptabel.

„Schuld liegt bei Voggenhuber“

Bei den Grünen ist indessen Krisenmanagement angesagt. „Ein Ergebnis von acht Prozent wäre eine herbe Niederlage“, so der ehemalige Parteivorsitzende Alexander Van der Bellen im Gespräch mit der „Presse“. Er sieht allerdings bei der neuen Parteiführung unter Eva Glawischnig keine Schuld für die offenbar nachhaltige Kontroverse um die EU-Liste. „Voggenhuber hat sich das alles selbst zuzuschreiben.“ Dass dieser nun sogar so weit gegangen sei, eine Wahlempfehlung für seine eigene Partei zu verweigern, sieht Van der Bellen eher als Hinweis, dass der langjährige EU-Parlamentarier das negative Abstimmungsergebnis zur Kandidatenwahl „persönlich nicht verkraftet hat“. Zynisch fügt Van der Bellen hinzu: „Es wundert mich ja, dass er sich im ,Presse‘-Interview mit dem geköpften Ludwig XVI. verglichen hat. Das war bekanntlich einer der unbedeutendsten Könige.“

(c) Die Presse / JV

Für den ehemaligen Parteivorsitzenden ist nun wichtig, dass sich die Grünen als „klar proeuropäisch“ positionieren. Einen Kompromiss gegenüber Attac und deren Kritik am Lissabon-Vertrag schließt Van der Bellen aus. „Wir brauchen diesen Vertrag.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.