Wahlen: Alarmstufe Blau in der SPÖ

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Die Nachwehen der Schlappe in der Arbeiterkammer: Fehlende Mobilisierungskraft wird immer mehr zum SPÖ-Problem. Vor den Wahlen in Wien und den Ländern profitieren die Freiheitlichen von der Krisenstimmung.

Wien.Jetzt wird immer deutlicher, warum die Auseinandersetzungen zwischen SPÖ und FPÖ zunehmend an Schärfe gewinnen. Die Freiheitlichen werden vor der EU-Wahl am 7. Juni und vor der Serie an Landtagswahlen, die im September in Oberösterreich und Vorarlberg beginnt und spätestens im Herbst 2010 in der Gemeinderatswahl in Wien gipfelt, zunehmend zur politischen Gefahr für die Sozialdemokraten. Nämlich in roten Kernwählerschichten – in der Arbeitnehmerschaft und im Wiener Gemeindebau –, die in der Vergangenheit traditionell SPÖ gewählt hat.

Nach Ende der AK-Wahl herrscht in der SPÖ Alarm. In der Arbeiterkammer gab es (wie in einem Teil der Dienstag-Ausgabe berichtet) just in Wien, wo AK-Präsident Herbert Tumpel als Spitzenkandidat zur Wahl stand, mit fast 13 Prozentpunkten minus den größten SPÖ-Rückfall auf nun 56,5Prozent. Dieser Absturz war freilich kein Einzelfall: Auch bundesweit (siehe Grafik) büßte die SPÖ bei der AK-Wahl 7,6 Prozentpunkte ein. Den Freiheitlichen, die vor allem bei der AK-Wahl in Wien kräftig zulegten, fielen die Stimmen fast in den Schoß.

(c) Die Presse / GK

Lohnverlierer wählten Blau

Das bestätigt eine Analyse des Sora-Instituts (1500 Befragte; 9. bis 18.Mai) zur AK-Wahl im Auftrag der Wiener Kammer. Demnach verhalf in erster Linie die Krisenstimmung wegen des Wirtschaftseinbruchs den Freiheitlichen zum Höhenflug. Der anhaltende Unmut über die Folgen der Krise ließ viele Arbeitnehmer Blau wählen, obwohl die SPÖ ihre Nummer-eins-Position mit deutlichem Vorsprung in der Arbeiterkammer verteidigte. In Betrieben, in denen es Lohnverluste (etwa durch weniger Überstunden) gab, stimmten sogar 39Prozent der AK-Wähler für die FPÖ. Den SPÖ-Gewerkschaftern ist keine Mobilisierung gelungen. Viele AK-Mitglieder gingen gar nicht zur Wahl, bundesweit sank die Beteiligung auf rund 43 Prozent. Dies, obwohl sich laut Umfrage immerhin 87 Prozent gerade in der Wirtschaftskrise eine starke Arbeiterkammer wünschen.

Bei der bevorstehenden EU-Wahl kämpft die SPÖ mit der ÖVP um Platz eins. Die latente Proteststimmung in roten Wählerschichten könnte zum zusätzlichen Problem werden. Denn die als nicht besonders wichtig empfundene Europawahl wird ohnehin als gute Möglichkeit für eine Denkzettelwahl gesehen.

Das Eindringen der Freiheitlichen in rote Kernschichten bei der AK-Wahl heizt vor allem die Spannung vor der Landtagswahl im Industrieland Oberösterreich, das besonders mit den Krisenfolgen kämpft, und vor der Wien-Wahl an. Der SPÖ droht eine Fortsetzung der Serie mit massiven Verlusten, die am 1. März in Salzburg und vor allem in Kärnten begonnen hat. Dazu kommt, dass FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache die Wahl in seiner politischen Heimat Wien zur Chefsache gemacht hat. Wiens SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl zieht bereits alle Register bis hin zu Frontalangriffen auf die FPÖ, um das rote Wien zu halten.

In der AK empfiehlt der ÖVP-Arbeitnehmerbund (ÖAAB) Tumpel, personelle Konsequenzen zu ziehen. Der seit 1997 amtierende AK-Chef sieht trotz der SPÖ-Verluste das Ergebnis als „Auftrag“ und steht für eine Wiederwahl zur Verfügung. In Wien findet die AK-Vollversammlung am 24.Juni, im Bund am 16. September statt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2009)

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