EU-Wahl international: EVP europaweit stärkste Kraft

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Die Europäische Volkspartei bleibt mit mindestens 267 Sitzen stärkste Kraft im EU-Parlament. Der Abstand zur SPE wurde vergrößert. In einigen Ländern erzielten EU-skeptische Parteien beachtliche Erfolge.

Die christdemokratisch-konservative Europäische Volkspartei (EVP) - die Parteifamilie der ÖVP - ist zum dritten Mal in Folge Sieger der Wahlen zum Europäischen Parlament. Die Fraktion der Sozialdemokraten und Sozialisten (SPE) erlitt hingegen empfindliche Verluste. Der Chef der Europäischen Volkspartei, Joseph Daul, sprach von einem "wunderschönen Abend". In den großen Mitgliedstaaten Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien und Polen lag das bürgerliche Lager klar vorn, ebenso in Irland, Belgien, Luxemburg, Ungarn, Tschechien, Slowenien, Bulgarien, Zypern, Portugal und Österreich. Nur aus Griechenland, Malta, der Slowakei, Dänemark und Schweden wurden Siege der Sozialdemokraten vermeldet.



Nach europaweiten Hochrechnungen stellt die EVP 267 der insgesamt 736 Sitze in der neu gewählten europäischen Volksvertretung. Die SPE bleibt mit 159 Sitzen (21,6 Prozent der zu vergebenden Mandate) zweitstärkste Fraktion. Bisher stellte sie 28 Prozent der EU-Abgeordneten. Martin Schulz, der Chef der Europäischen Sozialdemokraten, bezeichnete die Niederlage seiner Fraktion als "sehr enttäuschend". Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering zufolge sei es nun notwendig, an der "Geschlossenheit der Pro-Europäer zu arbeiten, um die EU in eine gute Zukunft zu führen".

Die europäischen Liberalen (LIBE) konnten ihr Ergebnis im Vergleich zur Europawahl 2004 nicht verbessern und erhalten 81 Sitze. Danach folgen die Grünen mit 54 Mandaten (7,3 nach 5,3 Prozent), die als einzige Fraktion in absoluten Zahlen zulegen konnten. Die Vereinigte Linke erhielt 35 Sitze. Die Gruppe der "Anderen" kam auf 86 bis 88 Sitze. Hierzu zählen neben der Liste Martin und der FPÖ auch die britischen Konservativen, die angekündigt hatten, sich nicht mehr der Fraktion der EVP anzuschließen.

Grüne wollen Mehrheit mit SPE

Nach ihrem Wahlerfolg in Frankreich - er kam auf 16,28 Prozent der Stimmen - versuchen die Grünen mit den Sozialdemokraten im EU-Parlament eine Mehrheit für eine politische Wende zusammenzubringen. "Ich habe mit dem Präsidenten der Europäischen Sozialistischen Partei gesprochen, um zu versuchen, eine Mehrheit zu bilden", sagte der Grünen-Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit am Montag. Schon jetzt seien die Grünen in einer Schlüsselposition.

Barroso hält sich noch bedeckt

Cohn-Bendit will unter anderem eine zweite Amtszeit des konservativen EU-Kommissionspräsidenten Jose Manuel Barroso verhindern. Barroso wird wahrscheinlich am Dienstag bekanntgeben, ob er in der Funktion als Kommissionspräsident wieder kandidieren wird.

Trotz Stimmengewinnen von rechten Parteien in einigen Ländern verkleinerte sich der Mandatsanteil der "Union für das Europa der Nationen", der rechtspopulistische Parteien wie der belgische Vlaams Belang angehörten. Vor der Wahl konnten sie 44 Sitze für sich verbuchen, nun sind es nur noch 35.

Wahlbeteiligung auf Rekordtief

Die Wahlbeteiligung fiel im EU-weiten Schnitt auf ein Rekordtief: Mit 43,39 Prozent (2004: 45,47) ging nicht einmal jeder zweite Wahlberechtigte ins Stimmlokal. In Belgien, Luxemburg, Griechenland und Zypern herrscht Wahlpflicht. Dennoch lag beispielsweise in Griechenland die Wahlbeteiligung bei "nur" 55 Prozent. Am niedrigsten fiel die Beteiligung in der Slowakei aus: Dort machten nur 19,64 Prozent der Bürger Gebrach von ihrem Stimmrecht.

Der deutsche EU-Kommissar Günther Verheugen sieht einen Mangel an Dramatik und Leidenschaft als Grund für die geringe Wahlbeteiligung. Der SPD-Politiker erklärte am Montag, die EU-Bürger wüssten, dass aus ihrer Wahl zwar ein Parlament hervorgeht, aber keine Regierung bestimmt werde. Als Ausweg schlug Verheugen vor, die EU-Kommission künftig direkt vom Europäischen Parlament wählen zu lassen. Weiters regte der Kommissar an, dass künftig die Parteien je einen Spitzenkandidaten für ganz Europa nominieren, der für den Posten des EU-Kommissionschefs kandidiert. Dies könne für die notwendige Personalisierung sorgen.

Deutschland: Schlappe für SPD

In Deutschland kamen die beiden Wunsch-Koalitionspartner Union und FDP gemeinsam auf 49 Prozent der Stimmen, die SPD sackte dagegen noch unter ihr Rekordtief von 2004 und bekam nur 20,8 Prozent. In Großbritannien lag die Labour Party von Premier Gordon Brown nach Auszählung von elf der zwölf Wahlkreise bei nur 15,4 Prozent der Stimmen auf dem dritten Platz hinter den Konservativen und den EU-Gegnern der UKIP (UK Independence Party) und erzielte das schlechteste Ergebnis seit dem Ersten Weltkrieg.

Protestparteien im Aufwind

EU-Skeptiker und Protestparteien erzielten in einigen Ländern beachtliche Erfolge. In Ungarn erhielt die rechtsextremistische Jobbik-Partei 14,8 Prozent der Stimmen und holte damit fast die regierenden Sozialisten ein. Sie stellt in Zukunft drei EU-Abgeordnete. In Finnland katapultierten sich die rechtsextremen "Wahren Finnen" von null auf fast zehn Prozent der Stimmen und in Dänemark legte die rechtspopulistische Volkspartei (DF) auf zwölf Prozent zu. Auch die italienische Lega Nord konnte ihren Stimmenanteil auf 10,7 Prozent ausbauen.



In Großbritannien konnte nicht nur die UKIP ihren zweiten Platz in der Wählergunst mit 17,4 Prozent behaupten, auch der rechtsextremen British National Party (BNP) gelang der Durchbruch. Die ausländerfeindliche Partei zieht mit vier Abgeordneten ins Europaparlament ein und verbuchte damit die ersten Mandatsgewinne bei landesweiten Wahlen in Großbritannien. Die UK-"Independence Party" (UKIP), die für einen Austritt Großbritanniens aus der EU kämpft, legt um zwei Sitze zu und hält bei insgesamt vierzehn.

In den Niederlanden kam die rechtspopulistische "Partei der Freiheit" des Islamkritikers Geert Wilders mit 15 Prozent auf Anhieb auf den zweiten Platz. In Dänemark verdoppelte die fremdenfeindliche Dänische Volkspartei ihre Mandate auf zweii. Der rechtspopulistische belgische "Vlaams Belang" und die nationalistische bulgarische "Ataka" mussten jedoch herbe Niederlagen einstecken. Auch in Frankreich verlor die rechtsextreme Front National.

Declan Ganley nicht im Parlament

Der irische EU-Reformvertragsgegner Declan Ganley ("Libertas") musste einen Rückschlag hinnehmen und schaffte den erhofften Einzug ins Europaparlament nicht. Statt der sicher geglaubten 100 Mandate erreichte Libertas nur eines - in Frankreich. Ganley muss in Irland bleiben. Er fordert nun eine Untersuchung der Auszählung, da seiner Ansicht nach fälschlicherweise tausende Stimmen der Konkurrenz zugeordnet wurden. Dies verzögert die Verkündung des endgültigen Wahlergebnisses in Irland.

Mandat für Piraten-Partei

Einen Überraschungserfolg landeten die französischen Grünen um Daniel Cohn-Bendit. Seine Liste landete mit 15,7 Prozent der Stimmen nur knapp hinter den Sozialisten (PS), die auch in Frankreich schwere Verluste hinnehmen mussten. In Schweden schaffte die "Piraten-Partei", die gegen den Urheberrechtsschutz im Internet kämpft, mit 7,4 Prozent der Stimmen auf Anhieb ein Mandat im EU-Parlament.

(APA/Red.)

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