Nach EU-Wahldebakel: In der SPÖ rumort es

Der Kanzler und sein Spitzenkandidat in Bedrängnis
Der Kanzler und sein Spitzenkandidat in Bedrängnis(c) REUTERS (Thierry Roge)
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Der abgewählte EU-Mandatar Bösch fordert den Rücktritt von Parteichef Faymann. Der steirische Landesrat Flecker erklärt, der Kanzler habe die Wahl "verkauft". Vorarlbergs Landes-Geschäftsführer Lutz sieht das Ergebnis als "kräftige Watsche". Faymann mahnt Disziplin ein.

Nach dem historischen Debakel bei der EU-Wahl mehrt sich in der SPÖ die Kritik an der Parteiführung. Mehr oder weniger offen werden auch Stimmen für einen Abgang von Parteichef Werner Faymann laut. Der abgewählte Vorarlberger EU-Mandatar Herbert Bösch plädierte am Sonntagabend im ORF-Radio "Ö1" für einen Kurswechsel - der mit dem Bundeskanzler aber nicht machbar sei.

Vorläufiges Endergebnis

"Dieser 'Kronen-Zeitungs'-Kurs des Werner Faymann ist ein falscher, er wird uns in Katastrophen führen", sagte Bösch. Dieses Jahr habe die SPÖ bisher ausschließlich Wahlen verloren. "Wir müssen diesen Kurs ändern und ich glaube nicht, dass wir mit Werner Faymann diesen Kurs ändern können. Wir werden diesen Kurs ohne Werner Faymann ändern müssen", so Bösch, der nur auf Platz sieben auf der SPÖ-Liste gereiht wurde.

Faymann: "Man kann auch Katastrophe sagen"

Faymann selbst war nach der Niederlage erst einmal auf Tauchstation gegangen. Er ließ am Sonntag lediglich in einer kurzen Aussendung verkünden, dass das Ergebnis unerfreulich sei. Am Montag mahnte der Kanzler dann in einem Interview im "Ö1-Mittagsjournal" Geschlossenheit und Disziplin in der Partei ein. Den Misserfolg müsse man ebenso wie Erfolge gemeinsam tragen.

Die Rücktrittsaufforderung von Herbert Bösch wies Faymann zurück. Er sei zwar für eine ordentliche Diskussion, aber auch für Disziplin. Mögliche Gründe für die Niederlage sieht Faymann in der Vergangenheit: Man habe früher nicht klar genug gemacht, wofür man stehe. Das sei erst seit kurzem der Fall, und diesen Weg müsse man nun konsequent weiter gehen. Trotz des "unerfreulichen Wahlergebnisses" - "man kann auch Katastrophe sagen" - sei es wichtig, den Blick nach vorne zu richten. Faymann forderte seine Partei auf, eine gemeinsame Haltung einzunehmen.

"Wahl offenbar verkauft"

Massive Kritik am Kanzler kam indes auch vom steirischen Landeshauptmann-Stellvertreter Kurt Flecker. "Der Bundesparteivorsitzende hat diese Wahl offenbar verkauft. Wie kann man sich sonst erklären, dass die SPÖ auf Zuruf der 'Kronenzeitung' eine neue Linie, eher eine Nicht-Linie, eingeht, dann ein liebloser Wahlkampf geführt wird, und auf der anderen Seite die 'Krone', die ja offenbar eine sehr gute Beziehung mit dem Bundesparteivorsitzenden hat, den Vorabdruck eines Buchs eines anderen Kandidaten bringt", sagte Flecker in einem Interview mit der "Kleinen Zeitung" (Montag-Ausgabe).

Flecker erklärte, dies könne nur bedeuten, dass man an der Spitze der SPÖ nicht an dieser Wahl interessiert gewesen sei. Er glaube, dass dies ein Deal gewesen sein könne. "Dass er das Blatt dann, wenn's ernst wird und um andere Wahlen geht, auf seiner Seite hat", so Flecker. Und zu den Konsequenzen aus der Wahlniederlage erklärte er: "Die Partei muss wieder Partei werden, sich inhaltlich positionieren, dazu scheint der derzeitige Vorsitzende nicht in der Lage zu sein. Er sollte selbst wissen, was er zu tun hat".

Ganz so weit wie sein Stellvertreter Flecker wollte der steirische Landeshauptmann Franz Voves in seiner Kritik nicht gehen. Er bemängelte allerdings am Montag die "Nicht-Linie" der SPÖ im Wahlkampf. Dem Kanzler warf er vor, sich am Wahlabend nicht persönlich geäußert zu haben: "Gerade in der Niederlage muss man als Captain zur Mannschaft stehen".

Unmut auch in Vorarlberg und Oberösterreich

Kritik an der Parteispitze kommt auch aus der Vorarlberger und der oberösterreichischen SPÖ - beide haben im Herbst Landtagswahlen zu schlagen. Der oberösterreichische SPÖ-Vorsitzende Erich Haider fordert Konsequenzen aus der Niederlage. Die SPÖ müsse auf europäischer Ebene ihr Profil schärfen. Die Schuldigen an der Wirtschaftskrise - "die Banken und Manager mit ihrer Gier" - müssten deutlicher benannt werden.

Der Vorarlberger SPÖ-Landesgeschäftsführer Franz Lutz sagte, die Bundesparteispitze habe die EU-Wahl nicht richtig ernst genommen. Er sieht im Ergebnis eine "kräftige Watsche". Nach der Wahl habe die Basis ein öffentliches Auftreten Faymanns vermisst. Es habe Unmut gegeben, weil Faymann nicht öffentlich Fehler eingestanden habe. Vorarlbergs ÖGB-Landesvorsitzenden Norbert Loacker wiederum ortet als Grund für die Niederlage eine "gewisse Abgehobenheit des Spitzenkandidaten" (Hannes Swoboda, Anm.).

Parteivorstand tagt am Mittwoch

Spätestens am Mittwoch wird die Diskussion in der SPÖ weitergehen: Dann tagen Präsidium und Vorstand der SPÖ, um die Wahl zu analysieren.

(Ag./Red.)

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