Aufregung: Fischer verurteilt Benes-Dekrete

Aufregung Fischer verurteilt BenesDekrete
Aufregung Fischer verurteilt BenesDekrete(c) APA (FRiedemann derschmidt)
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Bundespräsident Heinz Fischer verurteilt die umstrittenen Benes-Dekrete als "schweres Unrecht". Aus Tschechien hagelt es empörte Kritik und die Erinnerung, dass Adolf Hitler Österreicher war.

Bundespräsident Heinz Fischer sieht in den Benes-Dekreten, die nach dem Zweiten Weltkrieg zu Enteignung und Vertreibung der Sudetendeutschen aus der Tschechoslowakei führten, ein "schweres Unrecht", das nicht von anderen europäischen Staaten "legalisiert" worden sei. "Die Tatsache, dass vom tschechischen Staatspräsidenten (Vaclav Klaus) als Voraussetzung für seine Unterschrift unter den Lissabon-Vertrag die Bedingung gestellt wurde, dass die Europäische Grundrechts-Charta in der Tschechischen Republik keine Gültigkeit erlangt, hat auf die Benes-Dekrete in Wahrheit keine Auswirkung", heißt es in einer am Mittwoch veröffentlichten Grußbotschaft des Staatsoberhauptes an die Sudetendeutsche Landsmannschaft in Österreich (SLÖ).

"Aufarbeitung dunkler Stunden"

"Als österreichischer Bundespräsident werde ich mich weiterhin bemühen, an der Aufarbeitung dunkler Stunden unserer Geschichte mitzuarbeiten und dafür einzutreten, dass die Menschenrechte sowohl innerhalb der Grenzen unseres Landes als auch jenseits der Grenzen unseres Landes respektiert und hochgehalten werden. In einer Europäischen Union stehen die Chancen dafür wesentlich besser, als im Europa des 20. Jahrhunderts", schrieb Fischer laut einer Aussendung des Sudetendeutschen Pressedienstes anlässlich des SLÖ-Gedenkens an den 4. März 1919, als bei friedlichen Demonstrationen für das Selbstbestimmungsrecht und den Verbleib bei Österreich 54 Menschen in der Tschechoslowakei erschossen wurden.

Heftige Kritik aus Tschechien

Der tschechische Staatschef Vaclav Klaus gab seinem "Bedauern" Ausdruck, dass diese "schmerzhaften historischen Themen" im österreichischen Wahlkampf wieder "missbraucht" würden. Die Aushandlung einer Ausnahmeregel für Tschechien hinsichtlich der Menschenrechtscharta vor der Ratifizierung des Lissabon-Vertrages sei "weitsichtig" und "nützlich" gewesen. "Es zeigt, wie unerlässlich es ist, dass diese Ausnahme so schnell wie möglich verbindlich rechtlich kodifiziert ist", zitierte der Sprecher von Klaus, Radim Ochvat, den Staatschef.

Benes-Dekrete

Als Benes-Dekrete werden die 143 von Edvard Benes zwischen 1940 und 1945 erlassenen Dekrete bezeichnet, dei Regelungen für den Wiederaufbau des tschechoslowakischen Staates nach dem Krieg enthielten. Etwa 15 dieser Dekrete betrafen die deutsche und die ungarische Minderheit. Sie regelten neben der Bestrafung von NS-Verbrechen die Enteignung und Konfiszierung von Vermögen sowie die Aberkennung der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft. Davon waren nur antifaschistische Widerstandskämpfer ausgenommen.

"Hitler war Österreicher"

Sehr scharf reagierte die Chefin der außerparlamentarischen Partei "Souveränität", die frühere Kandidatin für das Präsidentenamt 2008, Jana Bobosikova. Gegenüber der Nachrichtenagentur Mediafax sagte sie, die Benes-Dekrete seien eine Folge des deutschen Nationalsozialismus, der Europa in zwei Blöcke geteilt habe. "Die Keime der Benes-Dekrete hat es bereits in dem Potsdamer Abkommen gegeben. Und ich persönlich lasse dem Herrn Präsidenten (Heinz Fischer) sagen, dass Hitler ein Österreicher war", so Bobosikova.

Der Chef der christdemokratischen Volkspartei (KDU-CSL) und ehemalige Außenminister Cyril Svoboda sagte, die Benes-Dekrete seien eine "Folge des Nachkriegszustandes" in der ehemaligen Tschechoslowakei und hätten "keinen direkten Zusammenhang mit der EU und deren Rechtsordnung".

Außenminister: Fall abgeschlossen

Der tschechische Außenminister Jan Kohout meinte: "Für uns ist diese Frage zumindest seit dem EU-Beitritt abgeschlossen, wo die Kompatibilität unserer Gesetzgebung, einschließlich der erwähnten Präsidenten-Dekrete, mit dem europäischen Recht überprüft wurde. Man hat konstatiert, dass es darin keine Kollision gibt".

Der Chef des Senats aus der konservativen Demokratischen Bürgerpartei (ODS), Premysl Sobotka, sagte gegenüber der Nachrichtenagentur CTK, er sei "überrascht", dass ein Spitzenpolitiker Österreichs noch heute die Entscheidung der Weltmächte angreife, die Benes umgesetzt habe. "Sie (die Dekrete) sind aus meiner Sicht gültig, auch wenn sie heute selbstverständlich keinen rechtlichen Wirkungsgrad mehr haben", so Sobotka. Er sagte weiters, die EU sei 2009 mit der Bedingung des tschechischen Präsidenten Klaus einverstanden gewesen, dass sich die Menschenrechtscharta nicht auf die Benes-Dekrete beziehe.

(APA)

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