Minderheitenpolitik: Spracherhebung: „Bist du einer von uns?“

Kärntner Slowenen befürchten neue Unruhe – Jörg Haider steht mit seinem Ansinnen derzeit alleine da.

Klagenfurt.„Wir lassen uns nicht zählen“. Mit diesem Kampfruf boykottierten die Kärntner Slowenen im November 1976 die „geheime Erhebung der Muttersprache“, die im Gefolge des eben erst beschlossenen Volksgruppengesetzes bundesweit angeordnet worden war. Raimund Grilc, Klubobmann der Kärntner ÖVP und selbst Angehöriger der slowenischen Volksgruppe, erinnert sich: „Damals gab's einen Urnenraub in Zell/Pfarre und bei mir zu Hause in Bleiburg wurde die Wahlzelle blockiert, damit niemand abstimmen kann.“ Die Slowenen in Kärnten hätten den Zensus verweigert, um darauf hinzuweisen, dass ihnen der Staatsvertrag einen besonderen Status zubilligt – unabhängig davon, wie viele Köpfe die Minderheit zählt, erklärt der ehemalige Bleiburger Bürgermeister. Das würden sie wohl auch heute wieder tun, wenn es tatsächlich zu einer neuerlichen Muttersprachen-Erhebung käme.

Landeshauptmann Jörg Haider (BZÖ) hat ja angekündigt, erst dann einer Lösung in der Ortstafelfrage zuzustimmen, wenn aufgrund einer Minderheiten-Feststellung exakte Zahlen der slowenischen Volksgruppe in den betroffenen Südkärntner Gemeinden auf dem Tisch liegen.

Dass es wirklich so weit kommt, kann aus heutiger Sicht so gut wie ausgeschlossen werden. Dazu wäre nämlich ein neues Bundesgesetz notwendig, sagt Gerold Glantschnig, Chef des Verfassungsdienstes im Landhaus. Der Jurist weist darauf hin, dass erst im Vorjahr die Möglichkeit der Muttersprachen-Erhebung aus dem Registerzählungs-Gesetz gestrichen worden sei, unter Mitwirkung des damals noch als Regierungspartner agierenden BZÖ. Geblieben sei, so Glantschnig, das Recht des Innenministers, eine Umgangssprachen-Erhebung durchzuführen.

Angst vor Benachteiligung

Eine solche sei jedoch als Erfassung der zahlenmäßigen Größe der Minderheit untauglich. Glantschnig: „Wer Slowenisch als Umgangssprache angibt, muss ja noch lange nicht der Minderheit angehören, er kann ja die Sprache auch in der Schule gelernt haben.“

Nicht nur die Gesetzeslage spricht gegen eine Muttersprachen-Erhebung. Nach Ansicht von Marjan Sturm, dem Obmann des Zentralverbandes der Slowenen in Kärnten, brächte sie auch neue Unruhe in die zweisprachigen Gemeinden – wie in den 70er-Jahren. Sturm: „Damals haben die Slowenen in vielen Bereichen Benachteiligung befürchtet und sich davor gescheut, die polemische Frage zu beantworten: Gehörst du zu uns oder zu den anderen?“

Aber Haider steht mit seinem Ansinnen ohnehin alleine da. Den Sonderlandtag, bei dem das BZÖ den Bund zu einer neuerlichen Muttersprachen-Erhebung „anstiften“ wollte, haben die anderen Parteien boykottiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2007)


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