Kärnten: Ein Land findet seinen Frieden

Kaernten Land findet seinen
Kaernten Land findet seinen(c) APA/GERT EGGENBERGER (GERT EGGENBERGER)
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Ein Jahr nach der Ortstafellösung. Nach Jahrzehnten des unversöhnlichen, zeitweise sogar blutigen Volksgruppenkonflikts scheint es, als wäre dieser ausgestanden. 164 Tafeln markieren den Weg in die Normalität.

Klagenfurt. Bis zur Revolution von 1848 ist von Volksgruppenkonflikten in Kärnten nichts überliefert. Gemäß dem Motto „Ein Land, zwei Sprachen“ lebten Deutsch- und Slowenischsprachige mehr oder weniger friedlich mit- und nebeneinander. Doch danach, als sich zum aufkeimenden Liberalismus dessen hässlicher Bruder, der Nationalismus, hinzugesellte, brach der Sprachenstreit auf. Es entstanden explizit deutsche und slowenische Vereine, vor allem die Schulen wurden zur ethnischen Kampfzone der Nationalisten beider Seiten.

So ging es dann jahrzehntelang weiter. Und der Konflikt wurde blutiger. Nach dem Ersten Weltkrieg besetzten südslawische Truppen Südkärnten, der Widerstand dagegen mündete in Abwehrkampf und Volksabstimmung. Danach wüteten die Nazis und vertrieben die Slowenen, gefolgt von der Tito-Armee, die erneut Südkärntner Territorium besetzte.

Und bis hinein in die Gegenwart lag der Streit um zweisprachige Ortstafeln, die den Kärntner Slowenen im Staatsvertrag von 1955 zugestanden, zum Teil aufgestellt und von fanatischen Deutschkärntnern im „Ortstafelsturm“ 1972 wieder ausgerissen wurden, bleiern über dem Land, begleitet von Bombenanschlägen des jugoslawischen Geheimdiensts in den 1970er-Jahren.

Schmierereien nur „aus Spaß“

Und heute, erstmals seit Jahrzehnten, hat es den Anschein, als sei die Luft aus diesem Konflikt heraußen. Die Ortstafellösung hat es möglich gemacht. Vor einem Jahr wurde das entsprechende Gesetz beschlossen, im August wurden die ersten zusätzlichen Tafeln – zu den schon bestehenden – aufgestellt, im April 2012 standen dann alle vereinbarten 164. Reibungslos, von ein paar folgenlosen Schmierereien abgesehen. Zwei bei einem solchen Vandalenakt ertappte Jugendliche gaben sogar an, „nur aus Spaß“ gehandelt zu haben.

Vorurteile aufgegeben

Es waren jedoch weniger die 164 Tafeln an sich, die den Wandel herbeigeführt haben. Es war vielmehr die lange Phase des Aufeinanderzugehens davor. Die Überzeugungsarbeit, die von den Kompromissbereiten auf beiden Seiten bei der eigenen Klientel geleistet wurde. Die Konsensgruppe, zusammengesetzt aus ehemaligen Gegnern – von Slowenenorganisationen und dem Kärntner Heimatdienst –, die den Boden dafür aufbereitet hat. Und schon auch der Druck von außen, der Kärnten als Land der bornierten Rückwärtsgewandten dastehen ließ.

Die Deutschkärntner begannen die slawische Sprache, die sie nun vermehrt auch in Urlauben oder auf Wochenendausflügen in Slowenien und Kroatien vernahmen, zu respektieren. Ein Umstand, der sicher auch durch den Zerfall des kommunistischen Jugoslawien begünstigt war – wenn dieser nicht sogar maßgeblich entscheidend war. Die Kärntner „Urangst“, von Jugoslawien annektiert zu werden, verschwand. Die Slowenischsprachigen wiederum begannen, ihre Vorbehalte gegen die Mehrheitsbevölkerung und das damit verbundene Gefühl andauernder Unterdrückung abzulegen.

„Viele Kärntner Slowenen bedanken sich bei mir, dass sie nun nicht mehr Minderheit, sondern Volksgruppe genannt werden“, sagt Kärntens Landeshauptmann Gerhard Dörfler (FPK). „Es hat sich etwas geändert“, konstatiert auch Marjan Sturm, der Chef des Zentralverbands der Kärntner Slowenen. „Die Leute sind erleichtert.“ Der Klimawandel sei bis in den Alltag spürbar. „Es gibt kein Zurück.“ Wiewohl es schon noch Kräfte gebe, die weiter dagegenarbeiten würden. Wie der Abwehrkämpferbund oder der Rat der Kärntner Slowenen. „Die spielen schon eine seltsame Rolle.“

Vouk: Licht und Schatten

Aber auch Rudolf Vouk vom Rat der Kärntner Slowenen, jener Anwalt, der die Ortstafel-Causa Anfang der Nullerjahre juristisch und politisch wieder ins Rollen gebracht hat, gesteht zu, dass sich das Klima in den betroffenen Ortschaften sehr wohl verbessert habe: „Die Akzeptanz für die slowenische Sprache ist gestiegen. Menschen, die vorher nur zu Hause Slowenisch gesprochen haben, trauen sich das nun auch in der Öffentlichkeit.“

In anderen Orten und anderen Bereichen hingegen habe sich die Situation sogar verschlechtert, schränkt Vouk ein. Bei der Frage der Amtssprache auf Gemeindeämtern etwa sehe er wenig Entgegenkommen. „Es gibt die Tendenz vonseiten des Landes, die jetzige Lösung als etwas Endgültiges zu betrachten. Es gibt keine Bereitschaft, über offen gebliebene Punkte zu diskutieren.“ Und auch bei den zweisprachigen Wegweisern würden noch „eine Menge fehlen“.

Landeshauptmann Dörfler will auf jene, „die immer nur Streit sähen wollen“, nicht näher eingehen. Er will sich den neuen Frieden im Lande nicht madig machen lassen: „Eine neue Leichtigkeit ist da.“ Nicht nur in Kärnten selbst, sondern auch im Verhältnis zur Regierung in Laibach. Soeben wurde etwa gemeinsam der Bau einer zweiten Röhre für den Karawankentunnel beschlossen.

Was bisher geschah: Die Ortstafel-Chronologie

1955: Der Staatsvertrag sichert den Kärntner Slowenen zweisprachige Ortstafeln zu.

1972: Die ersten Tafeln werden aufgestellt und im „Ortstafelsturm“ wieder ausgerissen.

1976: Im Volksgruppengesetz wird ein Anteil von 25 Prozent Slowenen als Voraussetzung für die Tafeln festgelegt.

2001: Der Verfassungsgerichtshof hebt diese Regelung auf. Anlass war eine Beschwerde des Anwalts Rudi Vouk gegen ein Strafmandat in der zweisprachigen Gemeinde St. Kanzian. Jahrelange politische Streitigkeiten folgen.

2011: Am 1.April unterzeichnen die Ortstafelverhandler unter Führung von Staatssekretär Josef Ostermayer das Ortstafelmemorandum. Das Gesetz wird am 6.Juli beschlossen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2012)

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