Reha statt Pension: Was 2014 neu wird

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Das neue System des Sozialministers für Invaliditätspensionen betrifft künftig auch Personen über 50 Jahren. Die Umstellung gilt für Jahrgänge ab Anfang 1964. Die Neuregelung soll im Herbst beschlossen werden.

Wien/Ett. Befristete Invaliditätspensionen werden abgeschafft: Die Neuregelung gilt ab 2014 vorerst für alle, die jünger als 50 Jahre sind. Der Berufsschutz für Angestellte wird in einen „Qualitätsschutz“ umgewandelt, das bedeutet, sie müssen sich statt einer Pensionierung auf andere Tätigkeiten auf dem gleichen Jobniveau umschulen lassen: Das sind die Kernpunkte des jetzt von Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) in Begutachtung geschickten Gesetzesentwurfs zur Reform der Invaliditätspensionen. Zehn Fragen und Antworten: Was ändert sich?

1 Für wen gilt das neue System bei bisherigen Invaliditätspensionen?

Die Neuregelung ist jetzt in Begutachtung, soll im Herbst im Parlament beschlossen werden und gilt – weil organisatorische Vorkehrungen getroffen werden müssen und die Wahl 2013 in diesen Zeitraum fällt – ab 2014 für unselbstständig erwerbstätige Personen, die jünger als 50 Jahre sind. Betroffen sind Jahrgänge ab dem 1. 1. 1964. Jemand, der beispielsweise am 15. Dezember 1963 geboren wurde, fällt nicht mehr darunter. Beamte, Gewerbetreibende und Bauern sind nicht betroffen. Ebenfalls nicht betroffen sind jene, die Anfang 2014 bereits eine Invaliditätspension beziehen. Für befristete Invaliditätspensionen gilt: Dauert die Befristung über 1. Jänner 2014 hinaus, kommt die Neuregelung zum Tragen, endet die Befristung vorher, tut sie es nicht.

2 Kommt es auch für über 50-Jährige zu einer Änderung?

Ja, im Gegensatz zu den bisherigen – auch von der „Presse“ veröffentlichten – Plänen schon. Allerdings gilt das neue System erst stufenweise nach und nach für künftige 50-Jährige ab 2014. Diese Lösung ist das Ergebnis der Verhandlungen und eine Reaktion auf Befürchtungen von Experten, dass sonst gerade bei über 50-Jährigen die Zahl der Invaliditätspensionen steigt.

3 Was sind die Kernpunkte des neuen Systems?

Wer so krank ist, dass er vorübergehend keinen Beruf ausüben kann, erhält keine Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension (Angestellte) mehr. Stattdessen gibt es ein Rehabilitationsgeld (bei medizinischer Rehabilitation) oder ein Umschulungsgeld (bei beruflicher Rehabilitation bei Weiterqualifizierung). Es wird damit versucht, in jenen Fällen, in denen Aussicht auf eine gesundheitliche Besserung oder einen Berufsumstieg besteht, die Pensionierung zu vermeiden. Aber: Wer so schwer krank ist, dass er etwa durch einen Arbeitsunfall oder Krebs auf Dauer nicht mehr arbeitsfähig ist, erhält weiter eine Invaliditätspension.

4 Wie hoch ist das Rehabilitations- bzw. das Umschulungsgeld?

Das Rehab-Geld beträgt 60 Prozent des letzten Bruttoeinkommens (= erhöhtes Karenzgeld) und wird maximal ein Jahr lang bezahlt. Das Umschulungsgeld beläuft sich auf die Höhe des (individuellen) Arbeitslosengelds plus einem Aufschlag von 25 Prozent. Im Schnitt soll es damit so viel sein wie die bisherige Invaliditätspension. Betroffene haben künftig einen Rechtsanspruch auf diese Rehabilitation.

5 Was passiert, wenn Betroffene Rehab-Maßnahmen verweigern?

Wird jemandem der Gang in die Invaliditätspension verweigert und er ist nicht damit einverstanden, kann er gegen den Bescheid beim Arbeits- und Sozialgericht Klage einbringen, diese hat aber keine aufschiebende Wirkung. Bei einer Rehab-Weigerung gibt es keine Pension. Betroffenen bleibt nur die Möglichkeit, eine Zeit lang Arbeitslosengeld oder eine Mindestsicherung (auch dort wird die Arbeitsfähigkeit geprüft) zu erhalten.

6 Wie ist künftig der Berufsschutz bei Angestellten geregelt?

Der Kern des Berufsschutzes bleibt zwar aufrecht: Angestellte dürfen weiter auf keine schlechter qualifizierte Tätigkeit statt einer Pension verwiesen werden. Allerdings erfolgt eine Lockerung durch Umwandlung in einen „Qualitätsschutz“: Angestellte können auf eine neue Tätigkeit mit gleicher Qualifikation statt einer Pension verwiesen werden. Beispiel: ein Tischler wird Berater für Holzprodukte in einem Fachmarkt.

7 Wie viele Menschen sind von der Umstellung betroffen?

Derzeit sind 7189 ASVG-Versicherte unter 50 Jahren in Invaliditätspension, davon 6376 befristet. Ab 2014 wird vorerst mit rund 1000 Personen in Rehab-Maßnahmen gerechnet. Die Einbeziehung aller über 50-Jährigen ab 2014 ist organisatorisch nicht machbar, daher die schrittweise Einbeziehung ab dem Jahrgang 1964.

8 Was bringt die geplante Neuregelung an Einsparungen?

Weil der Ausbau der Rehabilitationsmaßnahmen zuerst mehr Geld kostet, rechnet das Sozialministerium erst längerfristig unter dem Strich (geringe Pensionsausgaben, mehr Geld für Rehab) mit weniger Ausgaben. Netto wird bis 2018 mit Einsparungen von in Summe 700 Millionen gerechnet.

9 Warum wird bei Invaliditätspensionen der Hebel angesetzt?

Invaliditätspensionisten gehen im Schnitt sehr früh – mit rund 52 Jahren – in Pension. Die neuen Maßnahmen sollen dazu beitragen, dass dies im Schnitt später erfolgt. Insgesamt will die Regierung das faktische Pensionsantrittsalter bis 2016 um 1,5 Jahre und bis 2020 um 3,5 bis vier Jahre erhöhen. Ein Jahr später bringt ungefähr eine Milliarde Euro an Einsparung.

10 Sind von dieser Änderung auch andere Pensionen betroffen?

Nein. Verschärfungen – etwa das zwei Jahre spätere Antrittsalter für Hacklerpensionen – sind bereits beschlossen und gelten ab 2014.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2012)

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