Schwarz-Blau in der Tiefdruckzone

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Mit Kärnten ist eine ÖVP-Mehrheit für eine Koalition mit der FPÖ in weite Ferne gerückt. Derzeit ist das Spindelegger recht, weil damit die SPÖ-Trumpfkarte nicht sticht.

Wien. ÖVP-Chef Michael Spindelegger und seinem Generalsekretär Hannes Rauch bleibt nichts erspart. Eben wurde mit Rückendeckung der Bundespartei vom neuen Kärntner ÖVP-Chef Gabriel Obernosterer nach dem Geständnis seines Vorgängers Josef Martinz über illegale Parteienfinanzierung ein tiefer personeller Schnitt vollzogen. Die Lobbyingaffäre um den früheren ÖVP-Abgeordneten und Ex-Innenminister Ernst Strasser belastet die Volkspartei, auch wenn er nicht mehr ÖVP-Mitglied ist. Dass FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache jetzt Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel als „Kopf gewisser systematischer Fehlentwicklungen“ hinstellt und damit die ganze Schuld an den Korruptionsvorwürfen auch in Kärnten der ÖVP umhängen will, wurde dem ÖVP-Generalsekretär dann doch zu bunt: Es handle sich um einen „blauen Sumpf“ und um „Kindesweglegung“.

Zwischen Spindelegger und Straches FPÖ hatte vor allem der Europa-Kurs und das Nein zum Euro-Rettungsschirm das bestehende Misstrauen vertieft. Die Kärntner Vorkommnisse und Straches Bemühen, die Ermittlungen der Justiz gegen FPK-Spitzenpolitiker herunterzuspielen, haben nun zur Ausweitung der blau-schwarzen Tiefdruckzone geführt.

Offiziell bleibt Spindeleggers Bundes-ÖVP bezüglich einer etwaigen schwarz-blauen Regierung nach der Nationalratswahl 2013 bei der seit Längerem ausgegebenen Linie, man schließe weder jemanden aus noch ein. Taktisch kommt der ÖVP das gestörte Verhältnis zur FPÖ aber vorerst zugute: Denn damit verliert für den Koalitionspartner SPÖ die Warnung vor einer Rückkehr des „bösen“ Schwarz-Blau als Trumpfkarte einiges an Wert.

Steirer-Schwenk zur SPÖ

ÖVP-intern werden momentan keine gewichtigen Befürworter für eine Koalition mit Strache geortet, abgesehen davon, dass Spindelegger selbst mit ihm als Person nicht kann. „Es gibt niemanden, der eine gewisse Stärke hat, der für Strache aufsteht“, schildert ein ÖVP-Insider der „Presse“. Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll, Oberösterreichs Josef Pühringer und Wirtschaftsbund-Chef Christoph Leitl würden nicht mitgehen, „das weiß Spindelegger“.

Ebenfalls ins Gewicht fällt, dass die steirische ÖVP, einst Betreiber von Schwarz-Blau, mittlerweile im Land ganz auf die „Reformpartnerschaft“ mit der SPÖ setzt. Es wäre daher wenig glaubwürdig, nun ausgerechnet Schwarz-Blau als Alternative auf Bundesebene anzupreisen.

Freilich wird ÖVP-intern auch betont, letztlich sei die Frage nach der Regierungskonstellation vom Wahlergebnis, vom Programm und den Personen abhängig. „Es müssen nicht nur die Inhalte passen“, wird in der ÖVP erklärt: „Da tun wir uns mit Strache schwer.“ In der Partei heißt es aber auch, im Gegensatz zur Führung bekundeten Funktionäre weiter Interesse an einer Koalition mit der FPÖ.

Straches kalkulierte Einbindung

Ein hochrangiger ÖVP-Politiker erinnert daran, es habe schon während Schwarz-Blau mit Wiens Obmann Bernhard Görg auch eine Stimme in der Volkspartei gegeben, Strache als Staatssekretär einzubinden. Das Kalkül dahinter: Strache sollte so FPÖ-intern ruhiggestellt werden.

Strache selbst hat am Dienstag in der „ZiB 2“ behauptet, Schüssel habe ihm nach der Wahl 2006, als die SPÖ Platz eins eroberte, einen Vizekanzlerposten und fünf Ministerämter angeboten. Der damalige ÖVP-Generalsekretär Reinhold Lopatka versichert der „Presse“: „Ich halte das für ausgeschlossen.“ Es sei allen klar gewesen, dass es zur Koalition mit der SPÖ komme. Schüssel habe sehr gut verhandelt. So ging das Finanzministerium etwa an die ÖVP. Und für eine Mehrheit wäre ein schwarz-blau-oranges Bündnis nötig gewesen.

Aus anderer ÖVP-Quelle war zu erfahren, es habe zwei „Sondierungsgespräche“ mit allen gegeben, ob eine Dreierkoalition möglich wäre – ohne Erfolg. Es habe daher nur ein ÖVP-Verhandlungsmandat mit der SPÖ gegeben.

Auf einen Blick

Kärnten und die Ermittlungen der Justiz gegen mehrere führende Landespolitiker führen jetzt zu verstärkten Spannungen zwischen ÖVP und FPÖ auf Bundesebene. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sieht bei der ÖVP die Hauptschuld für Korruptionsvorwürfe. ÖVP-Generalsekretär Hannes Rauch betont, seine Partei habe intern, anders als die Blauen, aufgeräumt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2012)

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