Frank Stronach: "Euro-Ausstieg je früher umso besser"

Magna International Inc. Chairman Stronach listens to journalists questions in Vienna
Magna International Inc. Chairman Stronach listens to journalists questions in ViennaREUTERS
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Im Interview mit der »Presse am Sonntag« kündigt Stronach an: Er werde Spitzenkandidat seiner Partei bei der Nationalratswahl und wolle mehr als zehn Prozent erreichen. Vom ORF wünscht er sich mehr Respekt.

"Presse am Sonntag": Sie machen sich zum 80. Geburtstag mit der Gründung einer Partei selbst ein Geschenk.

Frank Stronach: Die Gründung und Vorstellung der Partei erfolgt in der letzten Septemberwoche. Ja, das ist fix.

Wie viele Mitstreiter haben Sie?

Viele.

Auch Prominente?

Ja. Namen gibt es erst Ende September.

Von welchen Parteien?

Von mehreren.

Ab Ende September läuft für Sie bereits der Nationalratswahlkampf an?

Wir werden uns einmal vorstellen: unsere Werte, warum und weshalb.

Werden Sie als Spitzenkandidat antreten?

Ja, ich werde auf Platz Nummer eins sein. Ich hoffe, dass wir viele Nationalräte haben werden. Das ist dann wie im Management, es wird einen Vorstand geben, der für die Partei arbeitet. Dann gibt es einen Aufsichtsrat und ein Ehrenkodex-Komitee. Der Vorstand muss laufend überprüft werden. Die Grundphilosophie der Partei ist Wahrheit, Transparenz und Fairness.

Für Sie hat einst Karl-Heinz Grasser gearbeitet, der steht nicht gerade für Transparenz, wenn man den Vorwürfen und Indizien glauben darf.

Als Karl-Heinz Grasser bei uns gearbeitet hat, war er immer sehr offen.

Sie glauben das alles also nicht?

Er hat bei uns gearbeitet. Da kann ich nur Gutes sagen.

Hätte er bei Ihnen nach wie vor einen Platz auf einer Liste?

Nein. Ich brauche dafür aber keine Begründung anzugeben. Der Punkt ist, wir leben in einem Rechtsstaat, und es wäre schön, wenn die Medien einen nicht vorverurteilen und hinrichten würden, bevor ein Urteil gefällt wurde.

Warum haben sich die Bemühungen, mit dem BZÖ eine Liste zu machen, zerschlagen?

Wenn man sich für die Politik interessiert, sollte man sehr viel wissen über die Ansichten und Programme anderer Parteien. Ich bin jetzt dabei, weil ich sehe, dass das jetzige System nicht mehr funktioniert. Wir haben ein Machterhaltungssystem. ÖVP und SPÖ waren die letzten 50 Jahre an der Macht und haben nur Schulden gemacht. Wie kommt die Regierung zustande? Da setzen sich Wirtschaftskammer, Bünde, Arbeiterkammer, Gewerkschaft und die Raiffeisenbank zusammen und sagen: Pass auf, das ist unser Programm, das wollen wir durchpushen. Dann mischen Erwin Pröll und Michael Häupl ein bisschen mit. Die Bevölkerung ist ausgeschlossen.

Das können Sie mit fünf, selbst mit zehn Prozent nach den Wahlen nicht ändern.

Wir haben dann bessere Möglichkeiten als jetzt, der Bevölkerung zu erklären, wie das System funktioniert und wie es funktionieren könnte. Wir gehen keine Kompromisse ein.

Auch keine Koalition?

Nur wenn die Werte übernommen werden und unser Programm akzeptiert wird.

Was macht Sie für die Wahl hoffnungsfroh?

Ich bin überzeugt, dass wir viele Stimmen kriegen werden - einen großen Prozentsatz.

Was ist ein großer Prozentsatz?

Alles über zehn Prozent. Denn die Umstände sind ideal. Vor fünf, sechs, sieben Jahren war die Stimmung: Warum sollen wir etwas ändern, uns geht es gut? Die Kühlschränke waren voll. Jetzt sieht man in Griechenland, dass sich die Leute anstellen, um Brot zu kriegen. Ich habe zu einer geistigen Revolution aufgerufen. Wenn wir zu lange warten und es schlecht geht, gibt es zerstörende Revolutionen. Es ist fünf vor zwölf.

Wieso ist es Ihnen nicht gelungen, BZÖ-Chef Josef Bucher zu sich zu holen?

Josef Bucher ist ein anständiger, netter Bursch.

Also keine Zusammenarbeit?

Wir haben gute Gespräche gehabt.

Würden Sie Josef Bucher einstellen?

Für manche Sachen wäre er okay. Wir haben miteinander gesprochen, aber wir gehen unsere eigenen Wege.

Manche Ihrer Ziele, wie ein einfacheres Steuersystem, kann jede Partei unterschreiben. Sie haben erklärt, es sollte so sein, dass jeder Hauptschüler es versteht.

Genau.

Einfaches Steuersystem hieße Flat tax, 20 Prozent?

Nein, der richtige Steuersatz wird sich im Laufe der Zeit finden. Wichtig ist, dass wir in zivilisierter Art und Weise die Verwaltung abbauen, effizienter werden, und dann können wir auch den Steuersatz senken. Wir haben jetzt ein Steuergesetz, das keiner versteht. Es hat Grauzonen, Schlupflöcher und Privilegien, die gehören abgeschafft. Die Flat tax ist wie ein Glashaus und besonders nützlich für die Arbeiter, da können die Reichen nicht entweichen. Die Reichen sollen eine faire Steuer bezahlen.

Kommt man beim Gesamtsteueraufkommen mit weniger aus?

Die Steuern müssen angepasst werden, das ganze System muss effizienter werden. Alles muss durchleuchtet werden.

Zum Beispiel?

Die Sozialverwaltung. Wir haben 22 Sozialversicherungsträger, 22 Aufsichtsräte, 22 Präsidenten, 22 Vizepräsidenten. Alle mit Chauffeur! Und jeder hat einen Grafensitz, eine Burg - und die wird verteidigt.

Wissen Sie, wer das wollte? Jörg Haider.

Wenn er das wollte, hat er eine gute Idee gehabt. Wir müssen alles durchleuchten, nichts ist tabu.

Die Sozialversicherung betont, die Verwaltung mache gemessen an den Gesamtausgaben nur einen kleinen Prozentsatz aus.

Das sind große Einsparungen, mindestens 100 Millionen Euro. Auch wenn es eine Million ist, es muss effizient sein.

Auch bei Bundesländern, beim Bundesrat?

Wir müssen alles durchleuchten. Ist der Bundesrat nützlich? Brauchen wir so viele Bundesländer in einem so kleinen Land? Unsere Aufgabenstellung lautet: Wie können wir Arbeitsplätze erhalten, den Wohlstand besser gestalten? Ein Landeshauptmann zu sein ist eine Ehrensache, um dem Volk zu dienen. Viele sind Politiker, um gut zu verdienen, nicht um dem Volk zu dienen. Wenn sie das nicht als Ehrenaufgabe betrachten, sollen sie doch woanders arbeiten, wenn sie fähig sind.

Unseren Wohlstand hat bis zur Finanzkrise auch der Euro beziehungsweise die Osterweiterung gesichert. Wollen Sie aus dem Euro aussteigen?

Der Wohlstand war nie gesichert. Seit vielen Jahren sind die Schulden so groß, unsere Enkel- oder Urenkelkinder müssen das alles einmal wegzahlen. Jeder, der einen Haushalt führt, weiß, wenn man mehr ausgibt, als reinkommt, kommt die Familie ins Armenhaus. Nur die Regierung weiß es nicht.

Sie verwenden immer solche Vergleiche - aber so einfach funktionieren die Wirtschaft und das Finanzsystem auch nicht.

Doch! Man muss sich einmal fragen, warum macht der Staat Schulden? Das ist der Einfluss der Großbanken! Unabhängig von der Konjunktur werden Schulden gemacht, in guten und in schlechten Zeiten. In guten Zeiten wird nichts beiseite gelegt. In schlechten Zeiten muss man den Gürtel enger schnallen.

Es gibt immer Zyklen. Also von John Maynard Keynes halten Sie demnach nicht sehr viel? Dass ein Staat in schlechten Zeiten gegensteuern kann.

Der hat seine Theorie, aber nie in der Praxis Löhne bezahlt. Ich provoziere jetzt ein bisschen.

Wann wird für Sie die Option des Ausstiegs aus dem Euro schlagend?

Je früher Österreich aus dem Euro aussteigt, umso besser ist es für die österreichischen Menschen.

Warum?

Wir können uns nicht mehr Schulden leisten. Jetzt werden uns durch den ESM noch mehr Schulden verordnet. Schulden, die für Länder bestimmt sind, die über Jahre nur Schulden machen, von denen wir wissen, die können das nicht zurückzahlen. Wir gehen Risiken für unsere Leute ein, um damit die enorme Korruption zu unterstützen, die es in diesen Ländern gibt.

Negative Folgen eines Euro-Ausstiegs bereiten Ihnen kein Kopfzerbrechen?

Es wären positive Folgen. Je länger wir drinnen bleiben, umso negativer ist es.

Aber jeder weiß, dass es bei einem Ausstieg zumindest kurzfristig heftig bergab ginge.

Das sagen nicht alle, sondern die Experten, die der ORF einlädt.

Der ORF hat Sie auch eingeladen. Ihr Auftritt war, bei allem Respekt, ein wenig ungewöhnlich.

Ich wurde dorthin eingeladen, um über den Wahnsinn Euro-Schutzschirm zu sprechen. Das wollte die Moderatorin nicht zulassen; so lasse ich mich nicht behandeln, ich zahle auch ORF-Gebühren.

Nicht jeder ORF-Gebührenzahler bekommt seinen Auftritt.

Aber ich habe 12.000 direkte Arbeitsplätze in Österreich geschaffen, und mein Unternehmen hat hier Milliarden investiert. Ich habe über hundert Millionen für wohltätige und soziale Zwecke gegeben, auch für Kunst und Kultur. Es wäre angebracht, dass der ORF mir mehr Respekt erweist.

Würden Sie die Neutralität aufgeben?

Sie ist paradox. Wir wollen neutral bleiben, aber wir wollen ein starkes Europa. Würde Europa angegriffen, würde Österreich sagen, wir sind neutral. Würde Österreich angegriffen, würde es sagen: Bitte helft uns. Österreich sollte schon neutral bleiben. Aber ich hätte eine Armee hauptsächlich für Katastropheneinsätze und Nothilfe.

Ein Berufsheer?

Hoch spezialisierte Berufssoldaten und auch für Katastrophenfälle gut ausgebildete Wehrdiener. So könnte sich Österreich international einen guten Ruf als Helfer in der Not aufbauen.

Zur Person

1932 Frank Stronach wird als Franz Strohsack in Kleinsemmering bei Weiz geboren. Er wächst in ärmlichen Verhältnissen auf.

1954 Der gelernte Werkzeugmacher wandert nach Kanada aus und schlägt sich unter anderem als Tellerwäscher durch. Aus einer Garagenfirma für Werkzeuge macht er Magna-International zum führenden Autozulieferbetrieb mit Milliarden-Umsatz.

1986 Stronach kehrt in den Achtzigerjahren nach Österreich zurück, die Magna-Europazentrale entsteht in Niederösterreich. Nach seinem 80. Geburtstag am 6. September dieses Jahres wird der Austro-Kanadier Ende September seine neu gegründete Partei vorstellen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12. August 2012)

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