Entacher: "Das Match für die Wehrpflicht ist gewinnbar"

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Generalstabschef Edmund Entacher erklärt, dass der Katastrophenschutz nur mit Grundwehrdienern gesichert sei - und widerspricht damit erneut Minister Darabos. 43 Dienstjahre sind Entacher genug. von iris bonavida

Die Presse: Bei der steirischen Unwetterkatastrophe wurden verstärkt Grundwehrdiener eingesetzt. Sie haben gesagt, eine Berufsarmee könnte einen solchen Einsatz nicht leisten. Warum?

Edmund Entacher: Die steirischen Unwetter waren kurz und heftig. Allein daraus kann man noch keine Wehrpflichtdebatte ableiten. Wir denken in der Katastrophenhilfe an eine Größenordnung bis zu 10.000 Mann, die über eine längere Strecke verfügbar sind. Diese Parameter könnte ein künftiges Berufsheer nicht erbringen. Unmöglich.

Damit stellen Sie sich aber wieder einmal gegen Minister Darabos. Laut diesem stünden bei einem Berufsheer 12.500 Kräfte zur Verfügung.

Ich gehe von Dokumenten aus, die diese Zahlen beschreiben. Ich gehe von meinem Fachwissen aus. Ich kann mir aus Fachsicht beim besten Willen nicht vorstellen, dass ein Berufsheer diese Zahlen bringen könnte.

Wie kommt der Minister dann darauf?

Ich kann den Minister nicht kommentieren. Ich halte diese Stärke für nicht erreichbar.

Haben Sie mit Darabos schon darüber geredet?

Das hätte ich gerne gemacht, aber ich habe ihn nicht getroffen.

Der Katastrophenschutz soll ja unter anderem durch das Pilotprojekt „Freiwilligenmiliz“ gesichert werden. Sie sind aber gegen die Ausweitung dieser Pilotprojekte.

Die Ausweitung steht noch nicht zur Debatte. Wir haben die Pilotprojekte aufgestellt, später sollen sie bewertet werden. Aber das Thema Katastrophenhilfe kann man mit diesen zwei Pionierkompanien nicht einmal ankratzen. Sie können den richtigen Weg zeigen, dann kann man vier oder fünf Kompanien machen, da sind wir aber finanziell ziemlich am Limit.

Die Ausweitung steht nicht zur Debatte? Der Minister sieht das sicher anders.

Da müssen Sie mit dem Minister reden. Wenn ein Berufsheer kommt, muss man solche Formen wählen. Ich hätte aber meine Zweifel, ob man den Erfahrungswert 1:1 auf ein Berufsheer übertragen könnte.

Wieso investiert man dann überhaupt zehn Millionen jährlich in diese Projekte?

Das ist schon vertretbar. Es sind Fragestellungen, für die wir noch keine Praxis haben. Das dritte Pilotprojekt dürfte aber am kniffligsten werden: Systemerhalter durch andere Lösungen ersetzen, etwa Leiharbeiter.

Warum ist das knifflig? Um zu wissen, dass nicht nur Systemerhalter kochen können, sondern auch Profis – dafür braucht man kein Pilotprojekt.

Das schaut vielleicht einfach aus, aber es ist ein bisschen kniffliger. Wir sind große Lehrlingsausbilder. Wir bräuchten etwa 1500 bis 3000 Personen, die diese ersetzen. Ich weiß nicht, wie man das machen soll.

Finanziell?

Ja, eben. Sagen wir, es kommen 2000 neue Personen. Eine Kraft kostet mindestens 25.000 Euro. Das wären insgesamt 50 Millionen. Ich weiß nicht, wie das gehen soll.

Der Minister könnte also daran scheitern.

Beim Pilotprojekt nicht. Aber beim gesamten Bundesheer.

Sehen Sie mit den Projekten allgemein einen Schritt Richtung Berufsheer gesetzt?

Vom Minister ist es so intendiert. Meine Haltung ist bekannt: Ich bin nicht dafür.

Würden Sie das Volk entscheiden lassen?

Man sollte sich hier nicht abputzen. Die gewählten Organe sollten das entscheiden.

Glauben Sie, dass sich die Bevölkerung für die Wehrpflicht entscheiden würde?

Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass die Wehrpflicht eine Mehrheit bekommt. Das Match ist gewinnbar.

Ist die Politik unfähig, sich zu einigen und versucht deswegen, die Verantwortung abzugeben?

Das ist eine taktische Frage: Wo erleide ich weniger Schaden – im parlamentarischen Kampf oder bei ausgelagerten Befragungen?

Bis 2016 muss das Heer über eine Milliarde Euro einsparen, bei einem Jahresbudget von 2,1 Milliarden Euro. Wo kann man hier noch kürzen?

Wir pflügen alles durch, wo noch ein bisschen Fett ist – wir senken Betriebskosten, streichen Dienstreisen. Bei den gepanzerten Fahrzeugen haben wir vor, über 700 Stück auszuscheiden. Das ermöglicht uns andere Sachen. Wir werden im bescheidenen Umfang Drohnen(unbemannte Fahrzeuge, Anm.) einführen. Dafür brauchen wir Personal. Sie sind so dimensioniert, dass sie von der Reichweite im Bereich Kompaniebataillon Brigade sind. Also Drohnen mit kurzer Reichweite und kurzer Verweildauer.

Was sagen Sie zu den Vorwürfen, dass Darabos versucht, das Heer kaputtzusparen, um ein Berufsheer umsetzen zu können?

Das klingt medial interessant, ist inhaltlich aber ein Unsinn. Denn wenn ich ein Berufsheer ernst nehme, dann ist es teurer.

Das ist das Gegenteil von dem, was Darabos sagt.

Ja, was soll ich machen ... Der springende Punkt ist: Die heutige Leistungsfähigkeit sollte bleiben. Dann wird es teurer. Es ist so.

Seit Juli ist Österreich in der EU-Battle-Group. Seit ihrem Bestehen gab es noch nie einen Einsatz. Sollte man die Kompetenzen erweitern?

Man könnte die Einsatzmöglichkeiten erweitern. Also nicht nur primär robuste Einsätze ermöglichen, sondern die Battle-Group möglicherweise im UN-Kontext hernehmen, vielleicht auch im Nato-Kontext. Oder etwa im Kosovo, wenn man Verstärkung braucht.

2013 läuft ihr Vertrag aus. Wer, glauben Sie, wird Ihr Nachfolger?

Das weiß ich nicht. Ich vermute, es wird nicht viele Bewerber geben. Es wird sehr viel verlangt. Das entscheidet aber der Minister.

Möchten Sie ihm einen Tipp geben?

Nein.

Glauben Sie, dass er auf Sie hören würde?

Ich könnte mir vorstellen, dass mich der Minister nach meiner Meinung befragt.

Es gibt theoretisch die Möglichkeit für Sie, die zehn Monate, in denen sie nicht als Generalstabschef tätig waren, anzuhängen.

Das werde ich mit großer Wahrscheinlichkeit nicht machen. 43 Jahre Dienst – das ist schon was. Zeit für einen Schichtwechsel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.08.2012)

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