ÖVP: Wehrpflicht-Verteidigung als Wahlkampfturbo

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In den bevorstehenden Wahlkämpfen in Niederösterreich und Tirol könnte die Volkspartei von der Mobilisierung im Vorfeld der Berufsheer-Volksbefragung profitieren. Die SPÖ befindet sich hingegen in einem Dilemma.

Wien. Rein wahltaktisch war Erwin Prölls Initiative für ein Referendum über die Wehrpflicht – die folgenden bundespolitischen Verwerfungen in der ÖVP einmal außer Acht gelassen – ein cleverer Schachzug. In Niederösterreich stehen nämlich im kommenden Frühjahr – erwartet wird ein Termin im März – Landtagswahlen an, bei denen Prölls ÖVP ihre 54,3-Prozent-Absolute von 2008 zu verteidigen hat.

Egal, wie die Volksbefragung am 13.Jänner ausgeht, fix ist, dass der Landeshauptmann den Ausgang für seinen Wahlkampf nutzen können wird. Entscheidet sich die Bevölkerung für die Beibehaltung der Wehrpflicht – für die sich Pröll seit Jahren ausspricht –, kann die Landes-ÖVP mit einem Erfolg im Rücken in den Wahlkampf ziehen.

Votiert das Volk für ein Berufsheer, kann sich Pröll als Demokrat inszenieren, der die Abstimmung ermöglicht hat – und deren Ergebnis er jedenfalls auch gegen seinen Willen akzeptieren wird.

Nützen wird die Volksbefragung der Mehrheitspartei aber auch schon im Vorfeld: Die ÖVP schwört ihre Funktionäre bereits jetzt auf einen „kurzen, intensiven Wahlkampf“ ein – rund sechs Wochen soll er dauern. Dass sich die schwarzen Funktionäre nun auch schon im Herbst für die Wehrpflicht ins Zeug legen werden, bringt öffentliche Präsenz.

Ein Vorteil für die ÖVP gegenüber der zweitstärksten Partei des Landes: Niederösterreichs SPÖ hat noch keine klare Linie zur Wehrpflicht. Während die rote Bundespartei in Richtung Berufsheer marschiert, wiegen im Land die Bedenken vieler Funktionäre schwer, die niederösterreichischen Wähler – vielen ist noch die Heereshilfe nach dem Hochwasser 2002 in guter Erinnerung – mit derartigen Plänen zu vergraulen. Egal, welche Linie die Partei letzten Endes fährt: Die Überzeugungskraft, mit der die Volkspartei für die Wehrpflicht laufen wird, wird sie wohl nicht aufbringen können.

Tirol: „Ablenkungsmanöver“

Auch Tirols Landeshauptmann, Ex-Verteidigungsminister Günther Platter (ÖVP), hat im Frühjahr eine Landtagswahl zu schlagen – und zeigt sich erfreut über den Pröll-Vorstoß. „Bei einer so wichtigen Frage wie der Wehrpflicht muss die Bevölkerung gefragt werden“, so Platter in einer Aussendung.

Reagiert hat darauf keine der anderen Tiroler Parteien. Übereinstimmender Tenor: Platter wolle mit dem Wehrpflichtthema von aktuellen landespolitischen Themen und persönlichen Affären wie Jagdeinladungen ablenken. Eine kurze Debatte zur Wehrpflicht gab es im Landtag schon im Frühjahr: Die Opposition war sich einig, dass die Wehrpflicht nicht zum Wahlkampfthema werden dürfe.

Platter dürfte die Wehrpflichtfrage jedoch ebenfalls als Bühne nutzen, um Präsenz zu zeigen: Schon am Sonntag erinnerte er etwa an den Einsatz nach der Lawinenkatastrophe von Galtür 1999.

Vergleichsweise überschaubar dürften die Auswirkungen der Volksbefragung übrigens im Kärntner Wahlkampf sein – wo ja ebenfalls spätestens im Frühjahr neu gewählt werden soll: Dort wird sich die Auseinandersetzung aber eher um die Aufarbeitung der Korruptionsvorwürfe gegen etliche Landespolitiker drehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2012)

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