Die ungestellte Frage: Neutral oder nicht?

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ungestellte Frage Neutral oder(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Die Regierung findet Kompromissvariante zum Text der Befragung am 20. Jänner 2013 über Wehrpflicht und Berufsheer. Nun tauchen Neutralität und Nato-Beitritt als Konfliktargumente erneut auf.

Wien. Der Weg für einen einjährigen Wahlkampf bis zur Nationalratswahl 2013 ist frei: Möglich ist das nach der am Freitag erfolgten Festlegung des Textes für die Volksbefragung zur Zukunft des Bundesheeres, die nunmehr für 20. Jänner 2013 fixiert wurde. Damit ist zugleich der Wahlkampf zwischen SPÖ und ÖVP eröffnet. Denn beide Parteien erhoffen sich von einem Erfolg der von ihnen bevorzugten Variante – die SPÖ will ein Berufsheer, die ÖVP ist für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht – neue Schubkraft für die spätestens im Frühherbst 2013 fällige Nationalratswahl.

Bei der Volksbefragung können die Österreicher zwischen zwei Alternativen auf dem Stimmzettel wählen: „Sind Sie für die Einführung eines Berufsheeres und eines bezahlten freiwilligen Sozialjahres?“ oder „Sind Sie für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht und des Zivildienstes?“

Parteichefs eingeschaltet

Dabei handelt es sich um einen Kompromiss. Denn auf die Aufnahme der Frage nach dem Zivildienst hat die ÖVP gedrängt, im Gegenzug wird nun die Frage nach dem von der SPÖ favorisierten Berufsheer zuerst auf dem Stimmzettel angeführt. Das sorgte im Lauf des Freitags noch einmal für Spannung. Welche Frage zuerst kommt, war nach Informationen der „Presse“ auch der letzte offene Punkt, der schließlich von Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger am Freitagnachmittag entschieden wurde.

Zuvor haben sich Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner um eine Klärung der Formulierung der Fragestellung bemüht. SPÖ wie ÖVP haben jedenfalls versichert, dass sie das Ergebnis der Volksbefragung, das an sich nicht bindend wäre, jedenfalls umsetzen wollen.

Während jetzt also Einvernehmen über die Fragestellung erzielt wurde, sind beide Regierungsparteien bereits mit allen Mitteln bemüht, sich einen Abstimmungserfolg bei der Volksbefragung für ihr jeweiliges Modell und damit eine gute Startposition für die Nationalratswahl zu sichern. Gegenseitige Angriffe werden nicht gescheut.

Bisher tobte die Schlacht um die Einsatzbereitschaft des künftigen Heeres bei Katastrophen und bei den Sozialorganisationen nach dem Wegfall des Zivildienstes. Jetzt flammt die Auseinandersetzung um die Beibehaltung der Neutralität und einen etwaigen Nato-Beitritt neu auf – aber unter umgekehrten Vorzeichen. Denn nun setzt die ÖVP in einem internen Papier für ihre Funktionäre, das der „Presse“ vorliegt, auf die bei der Bevölkerung populäre Neutralität: „Die Abschaffung der Wehrpflicht bedeutet Nato-Beitritt und damit die Aufgabe unserer Neutralität.“ Dabei hat Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel vor einem Jahrzehnt die Neutralität mit der Mozartkugel verglichen; die ÖVP hat sich Ende der 1990er-Jahre für einen Nato-Beitritt starkgemacht.

SPÖ erbost über „Panikmache“

Für die SPÖ ist die Argumentation der ÖVP zur Neutralität „Unsinn“. Im Verteidigungsressort wurde dies als „Panikmache“ kritisiert. Deutschland sei einst mit Wehrpflicht bei der Nato gewesen.

Würde ein Ende der Wehrpflicht rechtlich bedeuten, dass Österreich seine Neutralität verliert? Nein, betont Verfassungsjurist Theo Öhlinger. Diese These „war schon immer schwach begründet, aber heute hat sie gar keine Rechtfertigung mehr“. Denn die heutige Neutralität habe mit der ursprünglichen, die auf eine in Ost und West geteilte Welt ausgerichtet war, nichts mehr zu tun. Die Restneutralität könne man wahlweise mit einem Berufsheer oder mit einer Wehrpflicht erfüllen. Die verbliebene Neutralität untersagt es Österreich etwa, einem Militärbündnis beizutreten.

Wenn man die Neutralität ganz abschaffen wollte, müsste man das Volk zuvor nicht befragen. Ein Parlamentsbeschluss mit Zweidrittelmehrheit reiche rechtlich betrachtet aus, so Öhlinger.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2012)

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