Auf Frank Stronachs Spuren in Kanada

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Aurora ist Frank Stronachs Herzland. Von hier aus lenkte er sein Firmenimperium. Denn der Patriarch suchte immer die Nähe zur Macht. Auch Politiker wollte er schon einmal werden – 1988 für die Liberalen.

Der „Stronach Boulevard“ führt geradewegs auf das Hauptquartier von „Magna International“ in Aurora zu. „The Castle“ nennen es die Bewohner der 50.000 Einwohner zählenden Stadt, die 60 Kilometer nördlich von Toronto liegt. Ein Grünstreifen trennt die beiden zweispurigen Fahrbahnen des Boulevards, an den Laternenpfosten baumeln Blumenampeln, der satte grüne Rasen leuchtet in der Herbstsonne. Es wirkt herrschaftlich, fast wie ein altes österreichisches Schloss, eben wie ein „castle“.

Hier auf dem „Magna-Campus“ residiert auch die Stronach-Familie, von hier aus lenkte sie ihr Imperium. Jetzt sind Patriarch Frank Stronach und seine Tochter Belinda zwar nicht mehr in entscheidenden Rollen bei Magna. Stronach fungiert noch als Ehrenvorsitzender des Board of Directors und Berater von Magna. Belinda, die zeitweise Chefin und Vizechefin war, ist ganz aus dem Magna-Geschäft ausgestiegen. Aber mit der Stronach Group, dem Stronach-Familientrust und Stiftungen sind sie Magna weiter verbunden. Einflussreiche Bürger Kanadas sind sie nach wie vor.

„Er ist unglaublich großzügig“, sagt Geoffrey Dawe. Der 62-Jährige ist seit Dezember 2010 Bürgermeister von Aurora, kennt Stronachs Wirken aber seit vielen Jahren. Er beschreibt ihn als „faszinierende, bodenständige Persönlichkeit“. Vergangenen Samstag war er mit dem Unternehmer zusammen – beim „Hoedown“, dem alljährlichen Western-, Country- und Rockfest. Von Stronach und Magna vor 24 Jahren angeregt, hat es sich zu einer riesigen Fundraising-Party entwickelt. 5000 Menschen kamen in diesem Jahr, der Erlös waren 543.000 Dollar. Frank Stronach, in dunklem Anzug, weißem Hemd und mit schwarzem Cowboyhut, der seine grauweißen Haare noch heller leuchten ließen, überreichte mit seinem Nachfolger als Magna-Chef, Don Walker, den Scheck.

„Frank Stronach hatte von einer Party geträumt, und was für eine Party ist das geworden“, sagte Dawe. Stichwort: Party. Dass Stronach in Österreich eine neue Partei gründen will, wissen die Menschen in Aurora. Besonderes Interesse an seinen politischen Vorstellungen für Österreich haben sie jedoch nicht.

„Ich habe von seinen Plänen gehört und mit Freunden darüber gesprochen, aber nicht mehr“, sagt die 76-jährige Pat Adare. Sie kommt gerade aus dem „Stronach Aurora Recreation Center“, einem von Stronach mit Spenden unterstützten Sport- und Freizeitkomplex, wo sie im Hallenbad einige Bahnen geschwommen ist. „Er ist sehr gut zur Gemeinde“, sagt sie über Stronach. „Er ist ein reicher Mann, aber er verdient es auch. Er hat Magna aus dem Nichts aufgebaut.“ Sie ist überzeugt: „Er wird weiter Wurzeln hier haben. Seine Kinder und Enkel leben ja hier.“

Die neuen Karrierepläne des 80-Jährigen sind Gesprächsthema in Aurora trotzdem. Doch Magna äußert sich nicht dazu. Die Gründung seiner Partei habe „keine Verbindung“ zum Konzern, heißt es lapidar im Hauptquartier. Dass es Stronach nun in der Politik seines Heimatlandes versucht, verwundert in Kanada niemanden. Denn der Macht war die Familie stets nahe, ohne eine klare Bindung zu einer der beiden traditionellen großen Parteien, den Konservativen oder Liberalen. Stronach holte Politiker wie die früheren Provinzpremiers Mike Harris (Konservative) und Brian Tobin (Liberale) in das Magna-Direktorium. In Österreich sollte sich das Muster wiederholen.

Belinda Stronach (46) sah bei ihrem kurzen Ausflug in die Politik auch beide Seiten: 2004 kam sie für die oppositionellen Konservativen ins Bundesparlament in Ottawa. Zwei Jahre später wechselte sie, unzufrieden mit dem damaligen Oppositionsführer und heutigen Premier Stephen Harper, zu den Liberalen, erhielt einen Ministerposten und half der liberalen Minderheitsregierung von Paul Martin, ein Misstrauensvotum zu überstehen.

Auch ihr Vater hatte es schon einmal probiert: 1988 trat er als Kandidat für die Liberale Partei an, unterlag aber in dem ländlich geprägten Wahlkreis York in Ontario seinem konservativen Gegner. Es war ein bemerkenswerter Wahlkampf, denn er hatte ein dominierendes Thema: das von der konservativen Regierung Mulroney vorgeschlagene Freihandelsabkommen mit den USA. Die Liberalen und Stronach lehnten es ab. In Wirtschaftskreisen löste das Stirnrunzeln aus.

Stronachs Freund Dennis Mills, der damals einen Wahlkreis in Toronto für die Liberalen gewann und bis 2004 halten konnte, erinnert sich an die Beweggründe. „Frank glaubte immer daran, dass eine Gemeinde die Möglichkeiten haben muss, Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe zu schaffen und zu sichern. Er befürchtete, dass das Freihandelsabkommen dies beeinträchtigen könnte. Manufacturing ist eine der Leidenschaften Stronachs. Er ist Kanadas größter Produzent aller Zeiten.“

Mills glaubt auch heute, dass er und Stronach mit ihrer Einstellung recht hatten, auch wenn das Freihandelsabkommen heute von den Liberalen nicht mehr infrage gestellt wird. Natürlich hat Mills, der nach seinem Ausscheiden aus dem Parlament sieben Jahre CEO von MI Development war, einem Arm von Magna International, mit seinem Freund über dessen heutige politische Pläne gesprochen. „Ich habe ihn gefragt: Musst du das wirklich noch machen?“ Darauf habe Stronach geantwortet: „Ja. Wenn man an etwas glaubt, muss man die Ärmel hochkrempeln, auch wenn man gegen den Wind geht.“

Stronach sei eine „wirklich multikulturelle Persönlichkeit“, empfinde aber „eine tiefe Loyalität zu Kanada und zu Österreich“, glaubt Mills. Zu Einzelheiten des Stronach-Programms will er sich nicht äußern. Aber er sieht einen Anknüpfungspunkt zur kanadischen Wahl 1988: „Ich kämpfte für ein System der Einkommensteuer mit einer einheitlichen Steuer. Frank plädierte immer für ein klares Steuersystem, das diejenigen, die mehr Geld machen, nicht bestraft. Das Thema hat ihn nicht losgelassen.“An Ideen festzuhalten ist tatsächlich einer der Charakterzüge Stronachs. Manche nennen das auch Sturheit.

An Selbstbewusstsein mangelte es Frank Stronach jedenfalls nie. Wie auch bei einem, der mit 22 Jahren (damals hieß er noch Franz Strohsack) die Steiermark verließ, mit einem One-way-Schiffsticket 1954 nach Kanada kam und nach mühsamen ersten Jahren als Tellerwäscher in einem Krankenhaus und Ballbub auf Golfplätzen schließlich in einer Garage in Toronto sein erstes Unternehmen als Werkzeugmacher gründete. 1957 zog Stronach für sein Multimatics Investment Ltd. den ersten Großauftrag an Land: General Motors lieferte er 300.000 Metallklammern für die Sonnenblende.


My way or Highway. Märchenhafter kann eine Einwanderergeschichte nicht verlaufen: Stronach wurde zu einem der erfolgreichsten Unternehmer Kanadas, zum uneingeschränkten Herrscher eines Imperiums mit rund 100.000 Mitarbeitern, Magna International zu einem der weltweit größten Zulieferer für die Automobilindustrie.Die Zeitung „Globe and Mail“ schlug als Unternehmenshymne Frank Sinatras „My way“ vor. Andere meinen, Stronachs Devise sei eher „My way or the Highway“. Wer ihm nicht folge, müsse gehen.

Das üppig versilberte Ausscheiden Stronachs bei Magnahaben kanadische Medien und einige Investoren kritisch bewertet. „Frank Stronach tritt zurück und knackt den Jackpot“, meinte ironisch der „Toronto Star“, als der Magna-Gründer im Frühjahr 2011 seinen Abgang als Chairman des Board of Directors bekannt gab.

Gewerkschafter streut Blumen. Dass Stronach in Österreich Politik machen will und polarisiert, verwundert Buzz Hargrove nicht. „Er war sein ganzes Leben lang eine kontroverse Person“, sagt Hargrove, der frühere Chef der Gewerkschaft der Automobilarbeiter (CAW). Der Austrokanadier war bekannt dafür, dass er lange Zeit alles daran setzte, die Gewerkschaften von seinen Betrieben fernzuhalten. Heute spricht Hargrove anerkennend von Stronach, der „so viele Arbeitsplätze in Kanada geschaffen hat und in Europa und den USA Fabriken aufbaute, ohne Werke hier zu schließen.“

Der knorrige Ex-Gewerkschaftsboss ist sogar „beeindruckt von Stronachs Fähigkeit, Gewerkschaften aus seinem Betrieb rauszuhalten“. Eine erstaunliche Aussage für einen Gewerkschafter. „Er hat das durch gute Löhne und Sozialleistungen und gute und sichere Arbeitsplätze erreicht.“ Aber vielleicht ist Hargrove auch darum so freundlich, weil Magna und CAW vor sechs Jahren nach langen Kämpfen ein Fairness-Abkommen schlossen, das den Angestellten das Recht gab, sich gewerkschaftlich zu organisieren, aber Streiks ausschloss.

Tja, es werden sicher Wahlkampftage kommen, in denen sich der Neo-Politiker Stronach nach Kanada sehnt, dem Land, wo auch Gegner respektvoll von ihm sprechen. Und wo es einen Ort namens Aurora gibt, in dem sogar ein Boulevard nach ihm benannt ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2012)

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