»Hallo, hier St. Pölten!« oder: Prölls Hofstaat

Wer sind die Rädchen, die das System Pröll am Laufen halten? Die wichtigsten Mitarbeiter des »LHs«.

„Hallo, hier St. Pölten!“ Diesen Satz wird Gerhard Karner wohl nicht mehr los. Zu gut passt das Bild, das die ORF-Satire „Braunschlag“ von einem stets adrett gekleideten Parteisekretär zeichnet, der, unter einem Nitsch-Bild sitzend, die Parteifilialen in der Provinz auf Linie hält.

Karner, politisch sozialisiert als Gemeinderat im Dollfuß-Geburtsort Textingtal, wo die ÖVP derzeit 87,7 Prozent der Stimmen hält, und später als Pressesprecher des mittlerweile in der Partei verpönten Innenministers Ernst Strasser, sitzt als Landesgeschäftsführer der niederösterreichischen Volkspartei nicht nur innerparteilich an einer Schlüsselstelle – er ist auch nach außen Erwin Prölls Mann fürs Grobe. Die bisweilen heftige Auseinandersetzung mit der Opposition soll in Niederösterreich nämlich nicht Sache von Landeshauptmann und seinem Regierungsteam sein, so die ÖVP-Strategie – diese sollen als fleißige Arbeiter und freundliche Förderer im Namen des Landes auftreten und gleichsam über den Niederungen der Parteipolitik schweben.

Niederungen, in denen sich Karner nur allzu wohlfühlt. Die beinahe täglichen Presseaussendungen, in denen der 44-Jährige die politischen Gegner abkanzelt („SP-Leitner arbeitet nicht und streitet nur“; „Blaue Skandaltruppe: Nix hackeln, laut schreien“) genießen beinahe schon Kultstatus.

Karner und seinem Team obliegt auch die Organisation der millionenschweren Wahlkämpfe der niederösterreichischen ÖVP. Gelingt bei der bevorstehenden Landtagswahl ein neuerlicher Erfolg, könnte es Karners letzter als Geschäftsführer sein: Dem studierten Betriebswirt werden gute Chancen auf höhere Weihen in Land oder Bund nachgesagt – seine Amtsvorgänger Ernst Strasser und Johanna Mikl-Leitner wurden beide mit Regierungsämtern belohnt.

Die Innenministerin, die als Landesgeschäftsführerin 2003 die Landespartei zurück zur absoluten Mehrheit führte, zählt weiterhin zu Prölls wichtigsten Verbündeten. Bevor sie im Vorjahr als Nachfolgerin Maria Fekters nach Wien wechselte, verantwortete die heute 48-jährige ÖAABlerin das Sozialressort in der Landesregierung – vor der Wirtschaftskrise praktisch das zentrale Ressort für Pröll, der immer wieder von seiner Vision einer „sozialen Modellregion Niederösterreich“ schwärmte.


Battleground Speckgürtel. Diese entscheidende Rolle im Wahlkampf dürfte diesmal aber nicht dem Sozial-, sondern dem Verkehrsressort zufallen. Dort sitzt derzeit nach der eiligen Demontage des glücklosen Johann Heuras im Vorjahr Karl Wilfing, ehemals Bürgermeister von Poysdorf – und durch seine Vergangenheit als JVP-Vorsitzender ausgezeichnet in der niederösterreichischen Landespartei vernetzt.

Wilfing kommt die strategische Aufgabe zu, die bis tief ins niederösterreichische Umland reichenden Auswirkungen der Wiener Parkpickerl-Erweiterung abzufedern, sodass die Unzufriedenheit darüber sich nicht in den niederösterreichischen Wahlurnen niederschlägt. Misslingt das, könnte Prölls Absolute am Unmut im bevölkerungsreichen Speckgürtel um Wien scheitern.

Damit das nicht eintritt, haben Wilfing und der Landeshauptmann erst am Mittwoch ein eilig geschnürtes erstes Pendlerpaket präsentiert: Durch vorgezogene Neubauten und neue Projekte sollen noch bis Jahresende 1730 neue Park-&-Ride-Anlagen entstehen, auch weitere Maßnahmen wie die Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken um Wien werden diskutiert.

Allein steht Wilfing mit dieser Aufgabe aber nicht: 1992, als Pröll Landeshauptmann wurde, übernahm Friedrich Zibuschka die Landesabteilung Gesamtverkehrsangelegenheiten – der Beamte und Verkehrswesen-Professor der Boku legte als oberster Verkehrsplaner (und seit 2001 als Leiter aller Raumordnungs- und Umweltagenden) den Grundstock für praktisch alle Infrastrukturvorhaben der Ära Pröll.

Ein weiterer Beamter, der bei dem Landeshauptmann enormes Vertrauen genießt, hat erst kürzlich seine Funktion gewechselt: Joachim Rössl zeichnete bis 2011 verantwortlich für die – anerkannterweise erfolgreiche – Pröll'sche Kulturpolitik von der Klassik in Grafenegg bis zum Nitsch-Museum in Mistelbach. Inzwischen leitet Rössl die Abteilung Wissenschaft und Forschung des Landes – deren Arbeit mit dem Aufbau der Donau-Uni in Krems, mehrerer FH und Projekten wie Ista in Klosterneuburg oder dem Krebsforschungszentrum Med-Austron in Wiener Neustadt in den vergangenen Jahren stärker in den Fokus der Politik Prölls gerückt ist.

Aus Wiener Neustadt stammt ein weiterer Vertrauter Erwin Prölls: Klaus Schneeberger, ÖVP-Klubobmann im niederösterreichischen Landtag, gilt als einer der wenigen Funktionäre, die der Landeshauptmann vor jeder wichtigen Entscheidung zu Rate zieht.

Der 62-Jährige, der dem Klub seit 2000 vorsteht, könnte zum Königsmacher werden, wenn es dereinst um die Frage von Erwin Prölls Nachfolge geht – die derzeit, wie in der Partei allerorts zu hören ist, „überhaupt nicht zur Debatte steht“. Je nachdem, wessen Gerüchten man glaubt, könnten sich dabei neben dem durch Spekulationsgeschäfte beschädigten Finanzlandesrat und Pröll-Vize Wolfgang Sobotka auch Mikl-Leitner, Wilfing sowie Agrarlandesrat Stephan Pernkopf Chancen ausrechnen.

Dass Vizekanzler und ÖVP-Chef Michael Spindelegger die anstehende Nationalratswahl so unbeschadet übersteht, dass er in der Folge ohne Gesichtsverlust nach Niederösterreich zurückwechseln kann, gilt indes als unwahrscheinlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2012)

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