„Bezweifle wirtschaftliche Vorteile durch Berufsheer massiv“

(c) AP (THOMAS KIENZLE)
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Der Linzer Wirtschaftswissenschaftler Schneider stellt sich gegen Finanzstaatssekretär Schieder. Aufwendungen für eine Umstellung des Wehr- und Zivildienstes nicht berücksichtigt.

Linz/Wien/Ett. Hat die Wehrpflicht in Staaten mit einem solchen System der Landesverteidigung einen negativen wirtschaftlichen Einfluss, und bringt umgekehrt ein Berufsheer Wachstumsvorteile? „Das bezweifle ich massiv“, betont der Linzer Wirtschaftswissenschaftler Friedrich Schneider im Gespräch mit der „Presse“: Er reagiert damit entschieden auf entsprechende Aussagen von Finanzstaatssekretär Andreas Schieder (SPÖ) von Ende Oktober. Dieser hatte in der „Presse“ mit Verweis auf eine internationale Studie gemeint, ein Berufsheer bringe wirtschaftliche Vorteile für ein Land.

Der Linzer Ökonom, der sich mit Untersuchungen zum Pfusch einen Namen gemacht hat, hält eine derartige Bewertung keineswegs für gerechtfertigt. Zu einer solchen Schlussfolgerung könne man nur kommen, wenn alle anderen Aspekte, die im Zusammenhang mit dem Berufsheer Kosten verursachen, nicht berücksichtigt würden. Immerhin werde der wirtschaftliche Vorteil eines Berufsheeres in der Studie aus dem Jahr 2008 mit einem Viertelprozentpunkt beziffert. „Das ist viel“, sagt auch Schneider. Allein bei der wirtschaftlichen Entwicklung von 2011 auf 2012 würde dies rund 825 Millionen Euro ausmachen.

Konkurrenz für Wirtschaft um Spezialisten

Der Wirtschaftsprofessor zählt gleich eine ganze Reihe von Punkten auf, die bei dieser Rechnung, wonach sich die Wehrpflicht nachteilig auf das Wachstum auswirke, nicht eingerechnet worden seien. Dazu zählt er die Kosten, die bei einem Umstieg von der allgemeinen Wehrpflicht in Österreich auf ein Berufsheer für den Wehrersatzdienst, also den Zivildienst, anfallen. In diesem Fall müssten bis zu 14.000 Zivildiener, die unter anderem im Sozialbereich im Einsatz sind, durch andere Arbeitskräfte ersetzt werden. Das würde nach Schneiders Berechnungen jährlich 500 Millionen Euro an Kosten verursachen. Ziehe man die jetzigen Ausgaben von 137 Millionen Euro ab, blieben unter dem Strich allein dadurch Zusatzkosten von 360 bis 370 Millionen Euro im Jahr.

Schieder hat unter anderem argumentiert, die Wehrpflicht nehme für dessen Dauer der Wirtschaft junge Arbeitskräfte weg. Der Wirtschaftswissenschaftler hält dem entgegen, dass ein Berufsheer 4000 bis 5000 Spezialisten brauche. Nicht zuletzt machen die SPÖ und Verteidigungsminister Norbert Darabos den Österreichern den Umstieg damit schmackhaft, dass es sich dann um eine Profiheer handle. Dabei herrsche in Österreich schon jetzt ein Facharbeitermangel. Wenn 4000 bis 5000 Spezialisten zum Berufsheer gehen, würden diese Arbeitskräfte der Privatwirtschaft fehlen. Schneider: „Wo kriegt die Wirtschaft dann diese Arbeitskräfte her?“ Den Schaden für die Wirtschaft schätzt er auf 200 bis 250 Millionen Euro.

Nicht „kostenneutral“

Er bezweifelt die Dimensionen einer schlechteren wirtschaftlichen Entwicklung umgelegt auf Österreich aber auch, weil in der Studie OECD-Länder mit längeren Wehrdienstzeiten, bis zu 17 Monaten, als in Österreich mit sechs Monaten einbezogen seien. Daher stelle sich allein schon deswegen die Frage, ob sich das eins zu eins auf Österreich umlegen lasse.

Schneider widerspricht noch in einem weiteren Punkt. Auch die Ausbildung von Präsenzdienern habe in der Folge einen wirtschaftlichen Effekt, der nicht berücksichtigt worden sei. Er setze diesen bewusst niedrig bei 50 bis 100 Millionen Euro an. Rechne man das alles zusammen, „dann ist der wirtschaftliche Vorteil eines Berufsheeres schon fast weg“.

Dazu kommt für ihn noch ein Punkt, der allerdings vom Verteidigungsminister stets vehement bestritten wird. Für Schneider ist die Umstellung auf ein Berufsheer mit Kosten von 200 Millionen Euro verbunden. Darabos spricht hingegen stets davon, dass der Umstieg auf ein neues Wehrsystem „kostenneutral“ erfolge.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2012)

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