Eduard Paulus: "Ohne Wehrpflicht gibt es keine Miliz"

Eduard Paulus Ohne Wehrpflicht
Eduard Paulus Ohne Wehrpflicht(c) Clemens Fabry
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Eduard Paulus, Präsident der Offiziersgesellschaft, kritisiert das Modell von Minister Darabos. Ein Berufsheer habe nur in einem europäischen Kontext Sinn.

Die Presse: Am 20. Jänner wird das Volk zur Zukunft des Heeres befragt. Begrüßen Sie diese Entscheidung?

Eduard Paulus: Grundsätzlich bin ich froh, dass eine Entscheidung getroffen wird. Ich halte es auch für sehr vernünftig und vertretbar, dass in dieser umstrittenen Frage die Bevölkerung, die ja ihren Kopf hinhalten muss, entscheiden kann.

Wird ausreichend informiert, damit die Bevölkerung eine fundierte Entscheidung treffen kann?

Ich würde mir schon erwarten, dass die beiden Parteien ihren jeweiligen Standpunkt noch deutlicher darbieten. Die Pro- und Kontraargumente müssen ausführlich dargestellt werden. Da erwarte ich mir schon noch mehr.

Heißt dass, die ÖVP sollte ihr Modell noch vor der Befragung vorstellen?

Es geht nicht um die Frage, ein konkretes Modell vorzustellen – weil auch Verteidigungsminister Norbert Darabos in Wahrheit nur Plakate aufhängt und kein wirkliches Modell vorstellt. Es geht darum, dass die grundsätzlichen Argumente ausgetauscht werden.

Wofür werden Sie stimmen?

Die Offiziersgesellschaft hat sich einstimmig zur Wehrpflicht bekannt. Wir vertreten über 6000 Offiziere – und die überwiegende Mehrheit ist für die Wehrpflicht.

Was spricht denn dafür?

Wichtig sind die Aufgaben im Inland: die Grenzsicherung und Unterstützung der Polizei beim Schutz wichtiger Infrastruktur. Das kann man nur mit einer großen Mann-stärke bewältigen. Da ist die Wehrpflicht einfach billiger. Die Berufsheervariante taugt nur für Auslandseinsätze. Inlandsaufgaben könnten wir mit Berufssoldaten bei unserem Budget nicht erfüllen.

Laut Darabos wäre das mit dem derzeitigen Budget möglich.

Darabos sagt nicht die Wahrheit. Es ist schon mehrfach bekannt geworden, dass der Minister so lange rechnen ließ, bis er sagen konnte: Das Budget reicht. Das ist aber völlig undenkbar. Wir reden von 2,6 Milliarden Euro minimum.

Das häufigste Argument für die Wehrpflicht ist der Katastrophenschutz. Braucht man dafür wirklich einen Dienst an der Waffe?

Man braucht dafür nicht unbedingt ein Bundesheer. Aber man braucht allgemein Kräfte dafür – und für die Sicherheit im Inland. Beides kann das Bundesheer derzeit sehr kostengünstig erfüllen. Wenn ich das trenne, was möglich ist, muss ich sehr viel Geld in die Hand nehmen.

Ist die finanzielle Situation Ihr einziges Argument gegen ein Berufsheer?

Der Hauptgrund ist die Mannstärke, die wir in einem Kleinstaat wie Österreich nicht zusammenbekommen. Und wir würden bei einfachen Zeitsoldaten, die ins Ausland gehen müssten, keine qualifizierten Leute finden. Die Qualität der Schul- und Ausbildung ist bei Berufsarmeen drastisch gesunken.

Die Wehrpflichtvariante ist also auch noch in Jahrzehnten die richtige?

Ja, eine Berufsarmee wäre nur sinnvoll, wenn es einen Zusammenschluss aller europäischen Staaten gäbe, in dem jedes Land ein bestimmtes Kontingent stellt.

Wäre ein Nato-Beitritt eine Lösung?

Wir sind dagegen, weil die Nato Kriege wie den Irak-Krieg führt, die völkerrechtlich problematisch sind.

Würde ein Berufsheer ohne Nato-Beitritt überhaupt Sinn haben?

Es wird ein bitteres Erwachen geben, weil viel zu wenig Geld vorhanden ist. Und dann wird man sagen: Wir stellen ein kleines Kontingent an die Nato und genießen dafür den Schutz. Das bedeutet aber auch die Abschaffung der Neutralität und der bisherigen doch sehr großen Selbstständigkeit.

Kritisiert wird auch, dass ohne Grundwehrdienst die Rekrutierungsbasis für Milizsoldaten fehlen könnte.

Die Miliz speist sich aus der allgemeinen Wehrpflicht. Ohne Wehrpflicht keine Milizsoldaten. Aber es finden auch jetzt seit 2005 keine Übungen mehr mit einfachen Milizsoldaten statt, weil sie nicht mehr einberufen werden. Wir haben das alte System so kastriert, dass es nicht mehr funktioniert. Und ein neues System gibt es nicht, weil keine Reform angegangen wurde.

Welche Reformen würden Sie allgemein beim Heer angehen?

Wir müssen uns auf die Kernaufgaben konzentrieren: Ein kleiner Kern an Berufssoldaten, der die Grundwehrdiener ausbildet, würde genügen. Ein Teil der Grundwehrdiener sollte dann einige Jahre zu Übungen kommen – die kann man dann im Notfall einberufen.

Auf einen Blick

Die Österreichische Offiziersgesellschaft (ÖOG) ist ein Verein von Offizieren des Aktiv-, Miliz- und Reservestandes des Bundesheeres und sieht sich als das „sicherheitspolitische Gewissen der Republik Österreich“.

Eduard Paulus (60) ist seit 2007 Präsident der Offiziersgesellschaft. Außerdem ist er Leiter der Abteilung Finanz- und Vermögensverwaltung beim Land Salzburg.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2012)

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