Heinisch-Hosek: "Bei Obsorge vielleicht noch nachschärfen"

Gabriele Heinisch-Hosek
Gabriele Heinisch-Hosek(c) Die Presse (Eva Rauer)
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Ministerin Heinisch-Hosek geht davon aus, dass eine Frauenquote in Aufsichtsräten kommt. Bei Verstößen soll es Geldeinbußen geben. Und: Kinder seien nicht automatisch zu Hause am besten betreut.

Die Presse: Wirtschaftsminister Mitterlehner hat diese Woche eine Vereinfachung der Familienbeihilfe vorgestellt, das Modell ist Ihnen aber immer noch zu wenig einfach. Ist es schlecht, wenn beim Geld nach der Anzahl der Kinder differenziert wird? Große Familien sind ja teurer.

Gabriele Heinisch-Hosek: Bei meinem Modell gewinnt jedes Kind, eine Familie mit mehr Kindern bekommt unterm Strich mehr Geld als beim ÖVP-Modell. Unseres ist ganz einfach, Mitterlehners vereinfacht ein wenig. Seines kostet mehr, unseres ist kostenneutral.

Es ist kostenneutral, weil Sie bei der steuerlichen Absetzbarkeit kürzen wollen. Finanzministerin Fekter will einen Steuerfreibetrag von 7000 Euro pro Kind. In Frankreich, das eine höhere Geburtenrate hat, funktioniert Entlastung über Steuern gut.

Erstens kostet das Modell der Kollegin Fekter bis zu 4,5 Milliarden Euro. Zweitens geht es mir um Direkthilfe, die die Eltern sofort zur Verfügung haben. Drittens ist bei mir der Ausbau der Kinderbetreuung vorgesehen.

Die Frage ist aber auch, ob man über steuerliche Absetzbarkeit gezielt Leistungsträger, wie sie die ÖVP nennt, entlasten will.

Ich lehne es ab, Leistungsträger nur über die Einkommensteuer zu definieren. Leute, die viel Geld in den Staat einzahlen, können sich mit einem Steuerberater ja wieder viel herausholen – auch ohne Absetzbeträge für Kinder. Aber 42 Prozent aller Österreicher verdienen unter der Grenze, wo man sich Steuern zurückholen kann. Direktleistungen kommen auch Wohlhabenden zugute.

Mehr direktes Geld bringt aber nicht mehr Kinder.

„Mehr Geld“ ist relativ. Es wird nicht einmal ein Drittel des Geldes für die Absetzbarkeit der Kosten der Kinderbetreuung abgeholt. Es wäre besser, die Mittel in die Kinderbetreuung oder in Ganztagsschulen umzuleiten.

Der dänische Pädagoge Jesper Juul kritisiert im „Spiegel“ OECD- und EU-Ziele, wonach möglichst viele Kleinkinder in Betreuungseinrichtungen kommen sollen. Studien zum Kindeswohl würden fehlen, der Staat solle mehr nach den individuellen Bedürfnissen der Familien differenzieren.

Ich bin anderer Meinung. Der Staat soll Bildungsnachteile von Kindern ausgleichen können. Man weiß, dass der Umgang unter Gleichaltrigen enormes Potenzial birgt, was die Lern- und Leistungsfähigkeit betrifft. Wir zwingen keine Kinder in Krabbelstuben, die Familie ist für ein Kind aber manchmal nicht der beste Ort, um gefördert zu werden.

Zur Betreuung gehören die Väter. Sie haben eine Kampagne für die Väterkarenz gestartet. Laut Mitterlehner sind 17 Prozent der Kindergeldbezieher Väter, Sie sprechen von knapp fünf Prozent.

Meine Zahlen stammen von der Homepage des Wirtschaftsministeriums. Wir arbeiten seit Jahren mit Monatsstatistiken, die zeigen, wie viele Väter zu einem Stichtag in Karenz sind. Die 17 Prozent sind aufs ganze Jahr gerechnet. Beide Werte stimmen, wir finden aber unsere Interpretation aussagekräftiger.

Geeinigt hat man sich mit der ÖVP auf eine gemeinsame Obsorge in strittigen Fällen. Von der Arbeiterkammer abwärts kritisieren aber viele, dass es in den sechs Monaten Abkühlphase, in der die Richter die Obsorge überprüfen, zu einer Eskalation zwischen den Eltern kommen könnte.

Natürlich äußern sich jetzt diverse Gruppen, die auch parteiisch sind. Unser oberstes Prinzip ist das Kindeswohl, die sechs Monate Testphase können auch verlängert werden.

Erhöht die Testphase nicht das Risiko, dass Kinder ein halbes Jahr unnötig belastet werden? Es könnte ja der eine Elternteil den anderen beim Richter anschwärzen, um am Ende doch noch die alleinige Obsorge durchzusetzen.

Nein. Fest steht: Wenn ein Elternteil nicht so tut, wie er soll, kann der Richter ihm auch die Obsorge entziehen. Er kann die Testphase ja auch sehr früh abbrechen. Mit Februar wird das neue Modell wirksam. Schauen wir, wie es läuft, vielleicht müssen wir nachschärfen.

In welche Richtung?

Das ist noch zu klären.

Die EU-Kommission hat zuletzt einen Plan für eine Frauenquote von 40 Prozent in Aufsichtsräten vorgelegt. Was wird Österreich tun?

Im EU-Parlament zeichnet sich Zustimmung ab, auch im EU-Rat wollen wir eine gute Position finden. Ich gehe davon aus, dass sich Österreich positiv äußert.

Was sollte bei Verstößen passieren?

In manchen Ländern droht der Verlust der Börsenotierung. Für mich wäre das erst der letzte Schritt, zunächst kann ich mir ein Nichtauszahlen von Aufwandsentschädigungen vorstellen.

Eine andere Baustelle ist das Lehrerdienstrecht. Wann geht es mit den Verhandlungen weiter?

Wir gehen davon aus, dass die ÖVP in zwei, drei Wochen eine einheitliche Meinung hat, wie wir mit der Gewerkschaft weiterdiskutieren. Klar sind etwa höhere Einstiegsgehälter oder ein Kippen der Gehaltskurve.

Kann der Start mit dem Schuljahr 2013/14 noch gelingen?

Ich hoffe. Es gibt ja auch noch die Regierungsklausur im März 2013. Vielleicht können wir dann eine Lösung verkünden.

Zur Person

Gabriele Heinisch-Hosek, 50, ist seit 2008 SPÖ-Ministerin für Frauen und den öffentlichen Dienst. Als Beamtenministerin führt die frühere Sonderschullehrerin aus Niederösterreich mit SPÖ-Unterrichtsministerin Schmied und ÖVP-Finanzministerin Fekter die Verhandlungen mit der Gewerkschaft über ein neues Lehrerdienstrecht. Mit ÖVP-Justizministerin Karl vereinbarte sie zuletzt das Familienrechtspaket.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2012)

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