Eva Glawischnigs Herrenrunde

Glawischnigs Herrenrunde
Glawischnigs Herrenrunde(c) APA/HANS KLAUS TECHT (HANS KLAUS TECHT)
  • Drucken

Beim Bundeskongress der Grünen Anfang Dezember wird die Liste für die Wahl 2013 beschlossen. Neues Personal wird es eher nicht geben. Doch die Partei muss auch noch andere Probleme lösen. Wer gibt die Strategien vor?

Wir sind eine Frauenpartei“, ist einer der Sager von Eva Glawischnig, der im Ohr bleibt. Zu Recht. Denn auch ein Blick auf die Kandidatenliste für die Nationalratswahl 2013, die am 1.Dezember beim Bundeskongress in Linz festgelegt wird, zeigt wieder: Sie folgt streng dem paritätischen Grundsatz. Die Plätze werden abwechselnd an Frauen und Männer vergeben.

Angeführt wird die Liste von Glawischnig, der einzigen Chefin einer österreichischen Parlamentspartei. Weniger bekannt ist, dass sich der innerste Führungszirkel um die Bundessprecherin fast ausschließlich aus Männern zusammensetzt. Die Vizebürgermeisterinnen von Wien und Graz, Maria Vassilakou und Lisa Rücker, haben zwar gewissen Einfluss in der Bundespartei. Und Glawischnigs Bürochefin ist mit Barbara Wurzer auch eine Frau. Aber im Wesentlichen ist die strategische Planung bei den Grünen Männersache.

Die beiden Masterminds der Partei heißen Dieter Brosz und Stefan Wallner. Beide sind Anfang 40, gelten als langfristig denkende Politköpfe und haben wenig Scheu, nötigenfalls unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Weshalb sie sich in der Partei nicht uneingeschränkter Beliebtheit erfreuen.


Geheimer Klubchef. Als geschäftsführender Parlamentarier führt Brosz den bisweilen nicht unschwierigen grünen Klub. Zudem betreibt er Zielgruppenforschung und gibt gemeinsam mit Glawischnig und Bundesgeschäftsführer Wallner die „großen thematischen Linien“ vor. Gemessen an seiner Bedeutung ist Brosz kaum bekannt. Er drängt auch nicht in die erste Reihe.

Wallner scheut die Öffentlichkeit eher nicht. Er war lang Generalsekretär der Caritas, ehe er 2009 von Glawischnig abgeworben wurde. Man sagt ihm einen „gnadenlos guten Außenblick“ nach. Zum erweiterten Strategenkreis gehören die Kommunikationschefs Oliver Korschil und Martin Radjaby, der bei Ö3 gearbeitet hat und sich um die „neuen Medien“ kümmert, sowie Pressesprecher Reinhard Pickl-Herk.

Vizeparteichef Werner Kogler und Eigen-PR-Genie Peter Pilz, der sich nun doch kein Match mit Kogler um Platz zwei auf der Liste liefern will, werden mehr aus inhaltlichen denn aus strategischen Gründen eingebunden. Im Bund gefragte Männer sind außerdem der Vorarlberger Parteichef Johannes Rauch und der oberösterreichische Landessprecher Rudi Anschober, der derzeit jedoch wegen Burn-outs ausfällt. Auch der Wiener Klubchef David Ellensohn spielt ein Rolle, vor allem dann, wenn die Bundessprecherin zu sehr mit Stadtagenden eingedeckt ist.

Tatsächlich hat unter Glawischnigs Führung die „Rückkoppelung in die Länder“ an Bedeutung gewonnen – dass dort Strategien erklärt und besprochen werden, ist mit ein Grund, warum die Parteichefin, die auf Plakaten selten allein abgebildet wird, in der Partei relativ populär ist. Ihr Vorgänger Alexander Van der Bellen war intern nie wirklich beliebt, wurde aber geduldet, weil der Zuspruch von außen enorm war.

Thematische Lücken. Welche Probleme müssen die Strategen nun lösen? Vor allem geht es darum, breiter zu werden. „Wir konzentrieren uns auf alleinerziehende Mütter, die gern Rad fahren“, kritisiert ein hochrangiger Grüner. „Senioren und Arbeitnehmer sprechen wir kaum an – auch nur wenige Migranten und Junge, nämlich nur die gebildeten.“ Doch genau darum gehe es: „Wir müssen neue Zielgruppen erschließen.“

Thematische Lücken, die ein Vordringen in neue Wählerschichten verhindern, sieht auch ein anderer Parteiinsider: Seit Van der Bellens Wechsel nach Wien gebe es keinen, der die großen wirtschaftlichen Zusammenhänge erklären könne. Die grüne Bildungspolitik werde „nicht von der einen Person verkörpert“. Und sozialpolitisch unterscheide man sich nicht von der SPÖ.

Ein Drittel der Wähler, so schätzen die Parteistrategen, ist potenziell für ihre Botschaften empfänglich. Wallner umreißt die drei großen grünen (Regierungs-)Projekte: Bildungsreform plus Ausbau der Kinderbetreuung, Steuerreform (Belastung von Vermögen, Entlastung von Arbeit) und „die Wende bei der Energie- und Verkehrspolitik“.

Trägerrakete im Wahlkampf wird nach dem U-Ausschuss das Thema „Sauberkeit und Anti-Korruption“ sein. „Ausbaufähig“ sei die Wirtschaftskompetenz, gibt Brosz zu. Volker Plass, Sprecher der Grünen Wirtschaft, will in den Nationalrat einziehen und sich vor allem um Einzelpersonenunternehmen (die zuletzt auch die Regierung für sich entdeckt hat) kümmern. Zuschreibungen wie „links oder bürgerlich“ vermeiden die Strategen äußerst penibel.

Was auffällt: Die umweltpolitische Sprecherin, die Burgenländerin Christiane Brunner, ist weitgehend unbekannt. Intern begründet man das damit, dass das grüne Kernthema in der Außenwahrnehmung Chefsache sei. Das sehen aber nicht alle in der Partei so: „In Wahrheit wird das Thema unter Wert verkauft“, bemängelt ein Grüner.

„Protektionskind“ Maurer. Das zweite grüne Problem ist die mangelnde Personaldurchlässigkeit, vor allem im Klub. Quereinsteiger wie einst Van der Bellen wird man auf der Liste kaum finden. „Die Gründergeneration ist so gut vernetzt, dass andere fast keine Chance haben“, sagt ein Parteikenner. Außerdem gebe es kein Ausstiegsszenario für Mandatare, also „keine Versorgungsposten“. Die Lösung? Einige Plätze sollten für Leute von außen reserviert werden, etwa durch eine Quote. Neu ist Sigrid Maurer. Doch die medienerfahrene Ex-ÖH-Chefin, die als künftige Wissenschaftssprecherin gehandelt wird, polarisiert. Die einen nennen sie „ein Protektionskind Glawischnigs“. Andere streichen hervor, dass die 27-Jährige der nächsten Generation angehöre und bewiesen habe, „dass sie einen großen Laden führen kann“.

Regieren, eine Utopie? „Wir wollen bei der Wahl mindestens 15 Prozent und danach mitregieren“, lautet ein anderer Sager Glawischnigs, der im Ohr bleibt. Zu Recht? Die Chancen auf grüne Zugewinne bei der Wahl (2008 waren es 10,4Prozent) stehen nicht schlecht. Der Frust über die Regierung ist groß, die Sauberkeitsstrategie zieht. Und Frank Stronach wird vor allem der FPÖ, dem BZÖ und der ÖVP Stimmen kosten.

Aber eine Regierungsbeteiligung erscheint aus heutiger Sicht dann doch „utopisch“, wie es ein grüner Mandatar formuliert. Weil sich eine Koalition mit SPÖ oder ÖVP prozentuell nicht ausgehen wird. Und eine Dreier-Konstellation hat Glawischnig eigentlich ausgeschlossen. Zumindest bisher.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.