Bundesheer: "Nicht 10.000 Leute, die Sandsäcke füllen"

Bundesheer Nicht 10000 Leute
Bundesheer Nicht 10000 Leute(c) Dapd (Hans Punz)
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Nur für den Zivildienst und Katastrophenschutz solle es keine Wehrpflicht geben, sagt Karl Schmidseder, Stabschef im Verteidigungsressort.

Die Presse: Sie treten für die Einführung eines Berufsheeres ein. Glauben Sie wirklich, dass man dafür genügend Freiwillige finden wird?

Karl Schmidseder: Es gibt jetzt schon genug Freiwillige. Im vergangenen Jahr haben wir etwa 1943 Freiwillige aufgenommen, ohne dass wir dafür groß geworben haben. Und für ein Berufsheer bräuchten wir nur 1700.

Jetzt gibt es ja auch noch den Grundwehrdienst.

Nur etwa 30 Prozent derjenigen, die eine Karriere beim Militär anstreben, kommen aus dem Grundwehrdienst zu uns. Die große Masse entscheidet sich unabhängig davon für das Militär. Der Grundwehrdienst ist Mitauslöser, aber die große Masse kommt nicht durch den Grundwehrdienst zu uns.

Zu den 30 Prozent kommen aber auch noch 15 Prozent, die sich Jahre nach dem Grundwehrdienst melden. Auch in diesen Fällen wird die persönliche Zeit beim Heer eine Rolle spielen.

Ja, das heißt aber nicht, dass sich nicht auch 25-Jährige melden können, die noch keine Berührung mit dem Militär hatten.

Kritisiert wird auch, dass mit zwei Milliarden Euro Budget ein Berufsheer nicht umsetzbar wäre.

Man kann ein Heer der jetzigen Konfiguration um zwei Milliarden Euro haben – oder man kann ein Berufsheer für das gleiche Geld haben, bei dem es weniger Einheiten gibt. Dafür muss man vom Ministerium aus beginnen, schlanker und straffer zu werden. In der Verwaltung sind wir voll befüllt. Aber ganz unten, in der Truppe, schaut es dürftig aus – genau das wären aber die gesunden Beine, die wir in Zukunft bei einem Berufsheer verstärken würden. Wir investieren jetzt in einen Ausbildungs- und Verwaltungsbetrieb, der 200 Millionen Euro im Jahr wegfrisst. Hier können wir dann umschichten.

Wie lang würde diese Umstellung dauern?

Mit Sicherheit zehn Jahre.

So lange müssten also auch Teile des alten Apparates mitbezahlt werden.

Ja, aber ich erwarte mir hier natürliche Abgänge und auch Ressortübereinkommen: Das Justizministerium bräuchte etwa keinen Nachwuchs auszubilden, die 35- bis 40-Jährigen, die bei uns ausgebildet wurden, wären hervorragend für dieses Ressort geeignet. Und ein Bürgermeister könnte einen Zeitsoldaten als Feuerwehrmann übernehmen.

Könnte ein Berufsheer mit einer geringeren Mannstärke aber noch die Aufgaben bewältigen?

Die Mannstärke nimmt nur ab, weil die Zahl an Berufsoffizieren und Berufsunteroffizieren abnimmt. Wir haben einfach zu viele Häuptlinge. Dafür würden wir die Zahl der Zeitsoldaten von 1600 auf 7000 erhöhen. Und gerade jetzt haben wir den Fokus auf die Einsatzaufgaben – nämlich komplexe militärische Herausforderungen im In- und Ausland zu bewältigen – ein bisschen verloren. Denn es geht primär nicht darum, dass man 10.000 Leute hat, die Sandsäcke füllen. Und wir haben den Grundwehrdienst auch nicht dafür, damit der Zivildienst bleibt.

Wäre denn der Katastrophenschutz bei einem Berufsheer gesichert?

Mit einer Zahl von 7000 Zeitsoldaten und 8500 Berufssoldaten wären wir sehr reaktionsschnell. Außerdem ist das Militär ja auch nicht First Responder bei solchen Einsätzen. Es wird eingesetzt, wenn es sonst keine Ressourcen mehr gibt und es um nicht wieder gutzumachende Schäden geht. Dann braucht es Helikopter, Bergepanzer, Baumaschinen und Experten – und erst in zweiter Linie Helping Hands, die etwa Sandsäcke füllen. Das ist zwar auch wichtig, aber nur deswegen einen sinnlosen Grundwehrdienst aufrechtzuerhalten, das ist mir zu wenig.

Wäre das ÖVP-Modell mit seinen drei Säulen grundsätzlich umsetzbar?

Das wäre ein Worst Case, schlimmer kann es nicht werden: Wenn wir den Grundwehrdienst auf fünf Monate reduzieren und auch noch in einen militärischen und Katastrophendienst einteilen. Das würde das Heer zerreißen. Wenn man den Dienst aufrechterhalten möchte, damit die jungen Männer lernen, alles zu grüßen, was sich rührt, und alles zu putzen, was sich nicht rührt – dann müssen wir bei der Wehrpflicht bleiben. Aber nennen wir das dann nicht Militär. Ich sehe wirklich nur Vorteile bei unserem Berufsheermodell. Wir haben einen Mix aus weniger Berufssoldaten, viel mehr Zeitsoldaten und einer völlig neuen Miliz. Irgendwann wird es diese Umstellung geben müssen.

Letzte Frage: Im nächsten Jahr werden hochrangige Posten beim Heer neu besetzt. Haben Sie sich schon beworben?

Nein, weil ich als Stabschef geholt wurde. Wenn wir aber in Richtung Grundwehrdienst für fünf Monate gehen, bin ich bereit, diese Uniform auszuziehen.

Zur Person

Karl Schmidseder, 1964 geboren in Ried im Innkreis, ist seit August 2011 Stabschef im Kabinett von SPÖ-Verteidigungsminister Norbert Darabos. Seit Dezember 2008 war er Militärkommandant von Wien. Nach Matura und der Einjährig-Freiwilligen-Ausbildung absolvierte Schmidseder die Militärakademie in Wiener Neustadt, er ist Doktor der Politikwissenschaften.
[Bundesheer/Christian]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2012)

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