Kopf: „Das Parlament braucht einen Gesamt-Relaunch“

Karlheinz Kopf
Karlheinz KopfDie Presse
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U-Ausschuss neu? Automatismus? Wohl nicht mehr vor der Wahl, sagt der ÖVP-Klubchef. Es müsse vieles mitbedacht werden, die Zeit bis zur Wahl sei zu knapp.

Die Presse:Parteichef Michael Spindelegger hat den ÖVP-Klub zuletzt scharf kritisiert, weil sich viele Abgeordnete gegen eine Verkleinerung des Nationalrats ausgesprochen haben. Können Sie das nachvollziehen?

Karlheinz Kopf: Ich habe das nicht so empfunden. Das Vorhaben scheitert schon an der Opposition. Aber ich will nicht verhehlen, dass es auch in meiner Fraktion etliche gibt, die damit keine Freude haben.

Warum gab es dann im Februar, als Spindelegger dem Parlamentsklub das Sparpaket vorgestellt hat, einen einstimmigen Beschluss dafür?

Das war eine Zustimmung zum Gesamtpaket. Danach mussten wir allerdings erkennen, dass eine demokratiepolitisch so wichtige Sache in der knappen Zeit bis zur Wahl nicht umzusetzen ist.

Warum ist das nicht möglich?

Weil vieles mitbedacht werden muss: Müssen die Wahlkreise neu organisiert werden? Gibt es mehr Personal für die Abgeordneten, wenn sie weniger sind? Wir können über eine Verkleinerung schon reden, aber das sollte nur im Rahmen einer Gesamtreform geschehen.

Ist das Vorhaben damit Geschichte?

Nein. Ich habe die feste Absicht, nach der Wahl eine Debatte über die parlamentarischen Abläufe anzustoßen. Da gehören strukturelle Fragen dazu, aber auch kulturelle. Die Kultur im Hohen Haus ist in den letzten Jahren verroht. Es gibt keine Tabus mehr im Umgang miteinander. Und bei einigen ist eine Profilierungssucht zu beobachten.

Das Imageproblem des Parlaments wird auch in Umfragen deutlich. Was wollen Sie dagegen unternehmen?

Man kann Geldstrafen einführen, vielleicht beeindruckt das jene, die sich die Ordnungsrufe wie Trophäen an den Hut stecken.

Wie hoch sollen die Strafen sein?

1000 Euro pro Verstoß sind denkbar. Aber ich meine, dass der Parlamentarismus einen Gesamt-Relaunch braucht. Im Zuge dessen kann man noch mal über die Anzahl der Abgeordneten diskutieren.

Einen kleinen Relaunch soll es demnächst geben. Mit welchen Inhalten?

Wir wollen die Bürgeranfrage einführen, die vom jeweiligen Regierungsmitglied in einer öffentlichen Sitzung zu beantworten ist. Es gibt die Idee, die Proponenten eines Volksbegehrens im Plenum zu Wort kommen zu lassen. Beides – Bürgeranfrage und Volksbegehren – soll elektronisch unterstützt werden können. Bis dahin scheint es einen Konsens aller zu geben.

Die ÖVP wollte doch, dass Volksbegehren automatisch zu Volksabstimmungen führen, wenn sie von 650.000 Personen unterschrieben wurden.

Da gibt es Widerstand von Fraktionen, die sagen: Das hebelt das Parlament aus.

Sie meinen die SPÖ. Ist der Automatismus damit vom Tisch?

Für uns nicht. Aber es hat sich gezeigt, dass die Meinungen irrsinnig weit auseinandergehen.

Was bedeutet das für den Zeitplan? Die ÖVP hat einen Durchbruch bis Jahresende versprochen.

Es kann sein, dass es sich in dieser Legislaturperiode nicht mehr ausgeht. Zumal wir in den Diskussionen nicht mehr weitergekommen sind. Daher erhebt sich für uns die Frage: Beschließen wir das Machbare noch jetzt, also bis Februar, März? Oder lassen wir alles liegen? Und ich neige schon zu Ersterem.

Wie steht es um die Bestrebung, Untersuchungsausschüsse zu einem Recht der Minderheit zu machen?

Es braucht mehr als das. Derzeit erfüllt der U-Ausschuss die rechtsstaatlichen Anforderungen einer Demokratie in keinster Weise.

Was widerstrebt Ihnen?

Es kann nicht sein, dass man eine Auskunftsperson wie einen Verbrecher behandelt und die Geheimhaltungspflicht bei vertraulichen Unterlagen ständig verletzt wird.

Sie haben eine Absichtserklärung unterschrieben, dass der U-Ausschuss ein Minderheitenrecht werden soll.

Dazu stehe ich. Aber gleichzeitig braucht es Änderungen im Verfahren – und zwar ordentliche.

Welche denn?

In Bezug auf die Geheimhaltung muss das Strafrecht verschärft werden. Außerdem könnte man die Immunität jener Mandatare aussetzen, die im U-Ausschuss sind.

Mit anderen Worten: Auch die Reform des U-Ausschusses wird sich vor der Nationalratswahl nicht mehr ausgehen.

Ich bin nicht derjenige, der die Reform absagt. Wir haben am Freitag in der Präsidiale vereinbart, im Jänner noch einen Anlauf zu unternehmen. Aber wir haben sicher viel Zeit verloren – und mehr als 20 Punkte sind noch offen. Jetzt wird es wirklich eng. Denn je näher die Wahl rückt, desto weniger werden die Dinge sachlich diskutiert.

Am 20. Jänner findet die erste Volksbefragung in der Zweiten Republik statt. Muss Verteidigungsminister Norbert Darabos gehen, wenn es eine Mehrheit für die Wehrpflicht gibt?

Wir werden diese Forderung jedenfalls nicht erheben.

Wie glaubwürdig ist es, wenn ein Minister, der für ein Berufsheer eintritt, eine Wehrpflichtreform umsetzen soll?

Diese Frage wird sich Darabos selbst stellen müssen, nachdem er so einen Zickzackkurs gefahren ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.12.2012)

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