Ticker-Nachlese: "Habe noch nie so eine Einflussnahme erlebt"

Karas Strasser-Prozess
Karas Strasser-Prozess(c) APA
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Live-TickerNachlese: Der ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament hat seinen Amtsvorgänger und einstigen Rivalen Strasser schwer belastet.

Er gilt als einer der wichtigsten Zeugen der Anklage im Prozess gegen Ernst Strasser: Othmar Karas, als ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament Strassers Nachfolger und ehemaliger innerparteilicher Rivale. Tatsächlich belastete Karas den Angeklagten in seiner Aussage am Donnerstag schwer: „Ich muss sagen, ich habe so eine Einflussnahme von einem Abgeordneten noch nie erlebt".

Konkret geht es um einen Abänderungsantrag zu einer Anlegerschutzrichtlinie. Strasser betont, er habe den Antrag - Änderungen, die die als Lobbyisten getarnten Journalisten Jonathan Calvert und Claire Newell von ihm für ein Honorar von 100.000 Euro gewünscht hatten - nur zur Prüfung seiner Sinnhaftigkeit an das Büro von Karas weitergeleitet. Karas wies diese Darstellung nun zurück: „Es geht aus keinem Kontakt oder E-Mail hervor, dass es sich nur um eine Prüfung und nicht um ein Einbringen handelt." Und: „Das Vorgehen war komisch. Ich wusste nicht, wer hinter dem Antrag steckt." Daher habe er ihn verworfen. Auch hielt er fest: „Mit einem Anliegen an jemanden heranzutreten ist üblich, bezahltes Lobbying als Mandatar ist unüblich."

Karas selbst war zur fraglichen Zeit (Februar/März 2011) nicht in Brüssel, weil er sich nach einem Skiunfall in Spitalsbehandlung befand. Direkte Kontakte zwischen ihm und Strasser gab es demnach nicht. Er sei aber von seinem Büro auf dem Laufenden gehalten worden. Angesprochen auf den Geheimdienst-Verdacht Strassers (der Ex-Politiker sagt, er habe hinter den „Lobbyisten" Geheimagenten vermutet, die ihm eine Falle stellen und die er enttarnen wollte) meinte Karas: „Davon habe ich erst aus den Medien erfahren."

Damalige Mitarbeiterinnen von Karas bestätigten, dass sich Strasser ungewöhnlich stark für seinen Abänderungsantrag zur Anlegerentschädigungsrichtlinie interessiert habe. Inhaltlich sei der Antrag „unsinnig" gewesen, sagte ein Ex-Praktikant. „Wir hatten alle ein komisches Gefühl", meinte eine Ex-Assistentin - besonders, als Strasser wissen wollte, „worum es in dem Antrag eigentlich geht."

Als letzter Zeuge war Markus Stender geladen. Er war damals Strassers Rechtsanwalt und sollte den Vertragsentwurf, den Strasser von den „Lobbyisten" erhalten hatte, auf „problematische Formulierungen" prüfen. Der Anwalt gab an, mehrere Änderungen vorgeschlagen zu haben - unter anderem eine möglichst breite Formulierung zur Vermeidung von Interessenskonflikten zwischen der Beratungstätigkeit für die Briten, Strassers sonstiger Geschäftstätigkeit sowie seiner Tätigkeit als Abgeordneter. Am 16. Jänner habe er dem Ex-Politiker eine „endgültige, korrigierte Version" geschickt. Ob diese an Calvert und Newell weitergeleitet wurde, konnte er nicht beantworten. „Es war für mich aber nicht stimmig, dass etwas, das ich im Jänner am Tisch habe, am 28. Februar noch immer nicht unterschrieben ist."

Der Prozess wird kommenden Dienstag fortgesetzt. Nicht wie geplant am 13. Dezember aussagen werden allerdings die beiden britischen Journalisten Calvert und Newell - aus Termingründen. Richter Georg Olschak ist aber zuversichtlich, dass sie am 11. Jänner via Videokonferenz befragt werden.

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