Im Ausland wird Österreich als korrupt wahrgenommen. Einiges hier sei „eines Rechtsstaates unwürdig“, kritisiert Transparency. Kampf gegen Korruption werde von der Regierung nicht schnell genug vorangetrieben.
Wien. Platz 25 wäre für die Fußballnationalmannschaft wohl ein Traum. Doch die Organisation Transparency International (TI) erstellt eine Rangliste der korrupten Länder. Sie befragt Manager internationaler Konzerne, große Unternehmensberater und viele mehr, wie korrupt sie den öffentlichen Bereich eines Staates einschätzen.
Österreich schaffte 69 von 100 Punkten. In der Schule wäre das wohl ein Befriedigend. Das Erschreckendste an der gestern veröffentlichten Liste ist aber: Noch 2005 galt Österreich in Sachen Bestechlichkeit als Vorzugsschüler und rangierte auf Platz zehn. Nur ein EU-Land hat in so kurzer Zeit so viel an Renommee eingebüßt: Griechenland. Auch wenn Österreich im globalen Vergleich nach wie vor sauber dasteht, in der Gruppe der reichen, demokratischen Industriestaaten ist man ins hintere Feld zurückgefallen.
„Kein unerwartetes Ergebnis“
„Das Ergebnis ist nicht ganz unerwartet“, sagt Hubert Sickinger, Vizepräsident von TI in Österreich. Die Skandale der jüngeren Vergangenheit schlagen sich eindrucksvoll nieder. Und dass einige davon nun aufgeklärt werden, dass die Politik auch reagiert hat und in Sachen Lobbying, Parteienfinanzierung und Bestechung strengere Gesetze verabschiedet hat, werde sich in der Zukunft auch wieder im Ranking positiv bemerkbar machen. Trotzdem spart Franz Fiedler, Präsident des TI-Beirats, nicht mit Kritik an der Regierung.
Er fordert vehement die Weisungsfreiheit der Staatsanwälte gegenüber dem Justizministerium. „Das ist eines Rechtsstaates unwürdig“, kritisiert Fiedler. Und als Vorbild für die heimische Justiz führt er ausgerechnet Italien an, das im Korruptionsindex auf Platz 72 zu finden ist. Dort könne die Politik die Staatsanwälte nicht an die Kandare nehmen. Der frühere Staatspräsident Silvio Berlusconi könne davon ein Lied singen.
Auch der Kampf gegen Korruption werde von der Regierung nicht schnell genug vorangetrieben. Dass Verfahren so lange dauern, sei „ein Ärgernis, das zum Teil mit einem Versagen der Justiz zusammenhängt“, sagt Fiedler. Als die Korruptionsstaatsanwaltschaft 2009 ins Leben gerufen wurde, hat die Politik 40 Dienstposten versprochen. „Derzeit sind halb so viele im Einsatz“, merkt Fiedler an.
Bleibt die Frage: Warum gedeiht Korruption in einem so wohlhabenden Land so vorzüglich? Zwei Phänomene werden von den Experten von Transparency ins Treffen geführt. Erstens: fehlende Transparenz im öffentlichen Sektor. In Österreich ist alles ein Amtsgeheimnis. Nur in Ausnahmefällen könne die Öffentlichkeit den Behörden über die Schulter schauen. In Skandinavien ist es umgekehrt. Dort gibt es prinzipiell in alle behördlichen Verfahren volle Einsicht. Nur in Ausnahmefällen (zum Schutz der Privatsphäre) kommen Akten unter Verschluss.
Zweitens: Menschen, die Korruption aufdecken, werden „von der Gesellschaft nicht geschätzt“, sagt Karin Mair. Die Leiterin von Deloitte Forensik sitzt im TI-Beirat und berichtet, dass Whistleblower, also Hinweisgeber, etwa in Großbritannien und in den USA längst von Konzernen unterstützt werden. In Österreicher werden „Vernaderer“ rasch arbeitslos, „und das für eine sehr lange Zeit“, sagt Mair.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2012)