Salzburg: So verspielte eine Beamtin 340 Millionen

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In Salzburg dürfte eine Referatsleiterin die Finanzabteilung und den Rechnungshof genarrt haben. Die Aufklärungsarbeit des Landes funktionierte schlecht.

Salzburg. Sie war eine angesehene Finanzexpertin. Mehrmals musste die Salzburger Landesregierung sogar bangen, dass Monika R. abgeworben wird. „Die Banken rissen sich um sie“, erzählen Kollegen. In Sachen Finanzmanagement konnte ihr keiner das Wasser reichen. Auch nicht der Landesrechnungshof. Der war mit den Finanzgeschäften, für die die 45-Jährige verantwortlich war bis zuletzt sehr zufrieden. Tatsächlich könnte die Juristin aber 340 Millionen Euro Steuergeld verspekuliert haben. Das gab gestern der für Finanzen zuständige Salzburger Landeshauptmannstellvertreter David Brenner (SPÖ) bei einer Pressekonferenz bekannt.

Ganz genau weiß im Land keiner, was da vor sich gegangen ist. Die Zahl 340 Millionen stammt von der Vertragsbediensteten selbst. Jetzt wird gerechnet und aufgearbeitet. Und wenn alles gut geht, flattert bei der Staatsanwaltschaft Salzburg heute eine Anzeige ins Haus. Gestern war man dort über die wilde Geschichte ebenfalls nur erstaunt.

Rekonstruktion des Falls

„Sie hat die Politik getäuscht, sie hat den Landesrechnungshof und alle Kontrollinstanzen getäuscht“, sagte Brenner. Wie eine einzige Landesbedienstete so viel Geld abzweigen und verspekulieren konnte? Die Antwort auf diese Frage blieb er größtenteils schuldig. „Die Presse“ versucht eine Rekonstruktion:

Im Jahr 2001 beschloss das Land Salzburg sich mit Steuergeld aufs glatte Finanzparkett zu begeben. Man wollte Kapital gewinnbringend veranlagen und hatte dafür eine „fleißige, verlässliche und fachlich brillante Kraft“, wie es gestern hieß: Monika R.

Natürlich wurde das Spielkapital nicht ihr alleine überantwortet. Es herrschte das Vier-Augen-Prinzip. Problem dabei: Das zweite Augenpaar gehörte einem ihrer Untergebenen. Und damit war der Malaise Tür und Tor geöffnet.

Bis 2006 soll alles gut gegangen sein. Dann kaufte R. isländische Staatsanleihen. Island kollabierte und versenkte Milliarden. Einige Millionen aus Salzburg mit eingerechnet. Ab diesem Zeitpunkt soll R. nur noch versucht haben, das verlorene Geld zurückzugewinnen. Es gebe keine Anzeichen, dass sie Geld in die eigene Tasche abgezweigt hat, heißt es. Aber sie habe ihren Mitarbeiter genötigt, Unterschriften zu leisten. Später habe sie diese einfach gefälscht.

Portfolio-Reports haben gepasst

Und die Kontrollgremien des Landes? „Die Portfolio-Reports haben immer gepasst“, heißt es im Büro Brenner. Kein Wunder: Die Reports waren längst Fantasieprodukte. Die wahren Transaktionen kannte wohl nur eine: Monika R.

Wie sie es schaffte, 340 Millionen Euro zu verstecken? Geschickt dürfte sie das Geld immer wieder aus der laufenden Gebahrung abgezweigt und wieder eingebucht haben, hieß es gestern.

Im Sommer begann das Lügengebäude zu wackeln. Wieder wollte R. einen riskanten „Range Accrual Swap“ durchführen. Diesmal spielte ihr Mitarbeiter nicht mit, er meldete den Vorfall. Trotzdem wird nun auch gegen ihn ermittelt.

Verdacht auf Burnout

Mit Händen und Füßen wehrte sich Monika R., als man ihr nahe legte, Urlaub zu nehmen. Die Kollegen hatten eine Vermutung. „Verdacht auf Burnout“, attestierten sie Monika R. Man schickte sie in Zwangsurlaub. Ein anderer kümmerte sich in der Zwischenzeit um die Finanzgeschäfte. Plötzlich kamen da Informationen von der Deutschen Bank in Frankfurt, die so gar nicht mit den offiziellen Finanzgeschäften das Landes zusammenpassten . . .

Am 25. November habe R. – für sie gilt die Unschuldsvermutung – ein umfassendes Geständnis abgelegt, sagte Brenner. Warum die Anzeige an die Staatsanwaltschaft erst am Nikolaustag erfolgt ist? Auch das gibt Anlass für Spekulationen.

Auf einen Blick

Eine 45-jährige Mitarbeiterin der Salzburger Landesregierung könnte bis zu 340 Millionen Euro Steuergeld bei riskanten Finanzgeschäften verspielt haben. Die Affäre wurde am 6. Dezember publik. Die Frau, für die die Unschuldsvermutung gilt, soll entlassen werden. Das Land erstattete Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Auch ein zweiter Landesbediensteter dürfte in den Fall involviert gewesen sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2012)

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