Karas: Aussage belastet Strasser, Abrechnung blieb aus

Karas' Aussage belastet Strasser
Karas' Aussage belastet Strasser(c) APA HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
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„Ich habe noch nie bei einem Abgeordneten eine solche Einflussnahme erlebt“, sagt Othmar Karas über Ernst Strasser. Strasser dürfte eine bemerkenswerte „Hartnäckigkeit“ an den Tag gelegt haben.

Wien. „Ich bin kein Streithansl. Ich habe nie gespalten.“ Dies sagte der von der ÖVP nach Brüssel entsandte EU-Parlamentarier Othmar Karas – im Juni 2009. (Selbst-)Beherrschung, zumindest nach außen, war damals angesagt. Die ÖVP hatte das Ticket des Delegationsleiters von vornherein für einen gewissen Ernst Strasser gebucht und blieb dabei, auch noch als Karas viel mehr Vorzugsstimmen bekam. Am Donnerstag vor Gericht: Karas, der Verdrängte von einst, sagt als Zeuge der Anklage aus. Gegen Strasser sozusagen. Die Frage lautete im Vorfeld: Nimmt Karas späte Rache? Gleich vorweg: Tat er nicht. Dennoch wirkte dessen Aussage klar belastend für den Angeklagten.

Kein Gruß, keine Geste in Richtung des auf der Anklagebank sitzenden Ex-Delegationsleiters: Othmar Karas steuert den Zeugenstand an, den zwei, drei Meter daneben sitzenden Angeklagten lässt er außer Acht. Richter Georg Olschak will wissen, wie Karas im Februar 2011 – damals lag der Politiker nach einem Skiunfall im Krankenhaus in Zell am See – die Bemühungen Strassers in Sachen „Anlegerschutz“ erlebt habe. Zur Erinnerung: Zwei als Lobbyisten getarnte „Sunday Times“-Journalisten hatten sich schon 2010 an Strasser herangemacht, wollten herausfinden, ob dieser für Geld auf EU-Gesetze Einfluss nehmen würde. Tatsächlich ließ Strasser damals mehrere E-Mails an das für Anlegerschutz zuständige Karas-Büro schreiben. Dabei wurde der von den Reportern (Strasser hatte diesen erklärt, sein Preis als Lobbyist sei 100.000 Euro pro Jahr) vorgeschlagene Abänderungsantrag mitgeschickt. Mit der Bitte um Überprüfung.

Agentenjagd? „Das hat er uns nie gesagt“

Dazu nun Karas: „Ich habe noch nie bei einem Abgeordneten eine solche Einflussnahme erlebt.“ Die regen Aktivitäten seines damaligen parteiinternen „Konkurrenten“ (Karas milde: „Wir waren ja nicht spinnefeind“) seien ihm von seinen Assistentinnen aus Brüssel telefonisch ins Spital gemeldet worden. Karas über Strasser: „Er hat sich nie bei mir gemeldet, dafür haben sich die Mails und Telefonate in meinem Büro gehäuft.“

Tatsächlich dürfte Strasser eine bemerkenswerte „Hartnäckigkeit“ (Zitat Richter) an den Tag gelegt haben. So hat er sich von einem nur für vier Wochen im Karas-Büro tätigen Praktikanten die private Mobiltelefonnummer einer Karas-Mitarbeiterin geben lassen. Diese rief er dann höchstselbst an, um zu fragen, wie nun die Möglichkeiten für diesen (von den Lobbyisten vorgelegten) Abänderungsantrag stünden. „Es ist ungewöhnlich“, sagt am Donnerstag Karas-Mitarbeiterin Andrea W. im Zeugenstand, „dass man einen Anruf von einem Abgeordneten auf sein Privathandy bekommt, vor allem, wenn es nicht der eigene Abgeordnete ist.“ Jene frühere Karas-Assistentin, die damals von Strasser angerufen wurde, nennt dessen Verhalten nun „sicher auffällig“.

Staatsanwältin Alexandra Maruna greift bei ihren Fragen an Karas die eigenwillig anmutende Verantwortung des Angeklagten auf, wonach dieser nur zum Schein die Anliegen der Lobbyisten vertreten habe. Ob Strasser je irgendetwas von seiner Jagd auf Agenten gesagt habe. Karas' Antwort war zu erwarten: „Das hat er uns nie gesagt.“ Der Richter: „Hatten Sie den Eindruck, er will den Änderungsantrag einbringen?“ Karas: „Ich musste davon ausgehen.“ Allerdings sei es Strasser nicht darauf angekommen, den Antrag selbst einzubringen. „Ihm ging es darum, dass ich den Antrag einbringe.“

Dieses Spiel „über die Bande“ lässt die Staatsanwältin nicht gelten, sie schreibt in der Anklage: „Die Argumentation des Dr. Strasser, in Ausschüssen, in denen er nicht Mitglied sei, habe er keine Befugnis und führe dort auch keine Amtsgeschäfte, weshalb er dort privates Lobbying betreiben dürfe, geht völlig ins Leere.“ Denn: Das Tatbild der Bestechlichkeit (bei der Vornahme von Amtsgeschäften) umfasse sehr wohl auch eine „unterstützende Tätigkeit“ für einen anderen Amtsträger. Fortsetzung am kommenden Dienstag, 11. Dezember.

Der weitere Prozessverlauf

Die beiden Aufdecker der „Sunday Times“, Jonathan Calvert und Claire Newell (sie arbeitet mittlerweile für den „Daily Telegraph“), werden doch nicht kommenden Donnerstag (13. Dezember) in Wien aussagen. Das Gericht rechnet nun eher mit einer Befragung am 11. Jänner. Diese dürfte aber per Videokonferenz stattfinden. Davor, am kommenden Dienstag (11. 12.), tritt die frühere ÖVP-EU-Abgeordnete Hella Ranner in den Zeugenstand. Sie ist 2011 nach einer angeblichen Spesenaffäre zurückgetreten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2012)

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