Strasser, von Agenten umzingelt

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Ernst Strasser bringt bei der Fortsetzung der Verhandlung wegen Bestechlichkeit nun auch den französischen Geheimdienst ins Spiel. Indes besteht der Verdacht, dass eine Entlastungszeugin beeinflusst wurde.

Wien. Und jetzt auch noch die Franzosen. Wer gehofft hat, Ernst Strasser würde seine kühn anmutende Geheimdienst-Verteidigungslinie nicht noch weiter strapazieren, dürfte nun enttäuscht sein. Der Angeklagte brachte am Dienstag bei der Fortsetzung der Verhandlung wegen Bestechlichkeit auch noch den französischen Geheimdienst ins Spiel. Richter Georg Olschak stöhnte – und fragte: „Wie spielen jetzt die Franzosen mit?“

Vorab: Dass „die Franzosen“ nun auch vorkommen, ist bemerkenswert, da ja schon „die Briten“, „die Amerikaner“ und „die Russen“ an Bord sind. Alle möglichen Agenten könnten hinter ihm her gewesen sein, erklärte also erneut der frühere Delegationsleiter der ÖVP im EU-Parlament. Und nur deshalb habe er sich mit zwei als Lobbyisten getarnten „Sunday Times“-Journalisten zwischen November 2010 und März 2011 mehrmals getroffen; nicht etwa um gegen ein jährliches Honorar von 100.000 Euro als Berater engagiert zu werden, sondern um das verdächtige Duo eben als Abgesandte eines Geheimdienstes überführen zu können.

Wie er denn nun auf „die Franzosen“ komme? Österreichs früherer Innenminister schilderte dies eher umständlich: „Wir wurden verständigt, dass die Franzosen Hinweise haben könnten, dass die USA Interesse daran haben, dass die Aktivitäten im europäischen Parlament in eine bestimmte Richtung gelenkt werden.“ Wer sich nun noch nicht ganz auskannte, wurde auch nicht weiter aufgeklärt. Eine nähere Erläuterung wurde dem 57-jährigen Angeklagten vom Gericht nicht abverlangt. Jedoch erinnerte Strasser an eine Begebenheit im April 2010. Damals seien zwei Beamte des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) an seine Lebensgefährtin Elisabeth K. herangetreten, „um diese darauf aufmerksam zu machen, dass es Geheimdienste gibt, die sich an sie heranmachen könnten“. Strasser: „Meine Lebensgefährtin war ganz von den Socken.“

Auch er selbst will „im April oder Mai 2010“ als EU-Parlamentarier sein Team gewarnt haben: „Ich hatte Sorge, dass da ein Geheimdienst unterwegs ist.“ Doch habe er keine Konsequenzen gezogen, da er der Ansicht gewesen sei: „Da gibt es kein Kraut dagegen.“ Schließlich könne ein halbwegs gut disponierter Dienst „eh alle E-Mails mitlesen“. Und alle Telefonate mithören. Insofern habe er gefürchtet, „dass jemand mitliest, der es nicht gut mit uns meint“.

Sogar an eine dritte Geheimdienst-Begebenheit erinnerte Strasser den Richter. Im April 2011 habe er bei einem Termin mit BVT-Direktor Peter Gridling ein „Zehn-Punkte-Programm“ vorgelegt, aus dem hervorgegangen sei, dass er, Strasser, Hinweise auf mögliche Agenten habe.

Allerdings hatte Gridling vorige Woche im Zeugenstand davon nichts berichtet. Vielmehr hatte dieser unter Wahrheitspflicht angegeben, dass er damals von Strasser um ein Treffen gebeten worden sei. Dabei habe ihm dieser (Strasser kam damals in Begleitung seiner Lebensgefährtin) von einer Konzerteinladung eines russischen Geschäftsmannes erzählt und habe wissen wollen, ob dies einen geheimdienstlichen Hintergrund haben könne. Er, Gridling, habe gefragt, ob Strassers Besuch in einem Zusammenhang mit den damals schon bekannten Treffen mit den vermeintlichen Lobbyisten stünde. Gridling als Zeuge: „Beide sagten ,Nein, damit hat das nichts zu tun‘.“

Nun soll ein neuer Zeugenaufmarsch dazu beitragen, das Agentengewirr zu entflechten (die Ex-EU-Parlamentarierin Hella Ranner, ÖVP, konnte am Dienstag gar nichts zur Aufklärung beitragen). Bei diesem neuen Anlauf könnte es für eine ehemalige enge Mitarbeiterin des Angeklagten heikel werden: Daniela K. (31) muss auf Antrag der Anklage ein zweites Mal als Zeugin zum Prozess kommen.

Die Frau, die schon am 4. Dezember ausgesagt hatte (damals war sie mit einem ums Gesicht gewickelten Schal zum Gerichtssaal gehuscht) könnte nämlich Anfang 2011 bei einer zweiten Einvernahme vor der Polizei „nicht unbeeinflusst“ ausgesagt haben. Dies sagte nun Oberstaatsanwältin Alexandra Maruna. Zunächst hatte Daniela K. angegeben, Strasser habe erst von Geheimdiensten gesprochen, als die Sache mit den Lobbyisten aufgeflogen war. Bei ihrer zweiten Vernehmung wollte sich die Frau dann daran erinnern, dass auch schon zuvor die Rede von Agenten gewesen sei.

Außer dieser Zeugin sollen auch noch jene beiden Verfassungsschützer aussagen, die den erwähnten Termin mit Strassers Lebensgefährtin hatten. An diesem „Zeugentag“, dem 11. Jänner, soll auch bereits das Urteil für Strasser verkündet werden.

„Wir haben Hinweise, dass die Zeugin nicht unbeeinflusst ausgesagt hat.“

Oberstaatsanwältin Alexandra Maruna

„Herr Rat, ich wünsche Ihnen frohe Weihnachten.“

Ernst Strasser nach Schluss der Verhandlung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2012)

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